Dossier

Futtermittel: Mit oder ohne Gentechnik?

Die meisten gentechnisch veränderten Pflanzen landen im Tierfutter, in den riesigen Ställen Nordamerikas, aber auch in Mastanlagen in Europa. Doch es gibt Alternativen: gentechnikfreies Soja aus Brasilien und zunehmend auch aus Europa, Raps, eiweißhaltige Leguminosen wie Ackerbohnen, Erbsen oder Klee - und natürlich die gute alte Weide.

Lange fristeten diese Alternativen ein Nischendasein. Doch mittlerweile findet ein Umdenken statt. Landwirte stellen um; Supermärkte verlangen von Lieferanten Fleisch, Milch und Eier aus gentech-freier Produktion; die Politik fördert mit "Eiweißstrategien" den heimischen Anbau von Futterpflanzen und stößt Forschungsprojekte an.

"Wir mussten im vergangenen Jahr den Einsatz von genveränderter Soja für Hühner zulassen, weil es gentechnikfreie Ware nicht in ausreichender Menge zu wirtschaftlich vertretbaren Konditionen gab. Aus heutiger Sicht keine gute Entscheidung im Hinblick auf den deutschen Markt. Die Gäste haben uns das deutlich gesagt." 

McDonald's Deutschland-Chef Holger Beeck, Die Welt 19.09.2015

Produkte aus gentechnik-freier Fütterung:


Wo gibt es gentechnik-freie Futtermittel?

Praktische Übersichtsliste für Landwirte (Rinder-, Schweine- und Geflügelfutter)

Studie: Verfügbarkeit von gentechnik-freien Futtermitteln (2013)

Marktplatz: Vom Acker in den Futtertrog

Flächenfraß in Übersee

Laut Statistischem Bundesamt belegt Deutschland enorme Flächen im Ausland für die Erzeugung von Soja und Mais. Für die einheimische Bevölkerung in den jeweiligen Ländern, oft Kleinbauern, fehlen dann Äcker, auf denen Nahrungsmittel angebaut werden können.

Zwischen 2000 und 2010 ist die Fläche, die Deutschland im Ausland für den Import von Getreide und Soja belegt um 43 Prozent gestiegen, berechnete das Amt. "Ge­wonnen werden die zusätzlichen An­bau­flächen oft durch Um­wandlung von Savannen in Acker­land; alte Weide­gebiete werden in ent­holzte Bereiche der Regen­wälder ver­lagert."

zum Fachbericht

Kennzeichnung „Ohne Gentechnik“

Lebensmittel, die aus gentechnisch veränderten Pflanzen hergestellt sind, müssen laut Gesetz gekennzeichnet werden. Eine Transparenzlücke gibt es bei Fleisch, Milch und Eiern: werden Tiere z.B. mit Gentechnik-Soja gefüttert, müssen ihre Produkte nicht gekennzeichnet werden.

Zur Kennzeichnung von tierischen Produkten aus gentechnikfreier Fütterung steht seit 2008 das bundeseigene Siegel "Ohne Gentechnik" zur Verfügung. Gentechnik-Pflanzen dürfen nicht in den Futtertrog, vor der Umstellung des Betriebs müssen Vorlauffristen eingehalten werden. Ausnahme: Zusatzstoffe wie Enzyme oder Vitamine, die in geschlossenen System von gentechnisch veränderten Mikroorganismen hergestellt werden. Die Gentechnik-Organismen gelangen nicht ins Futter selbst.

Verband Lebensmittel ohne Gentechnik: FAQ
Bundesgesetzblatt: Gesetz zur "Ohne Gentechnik"-Kennzeichnung (Artikel 2, §3a)

„Nulltoleranz“ für Gentechnik-Kontamination

Gentechnisch veränderte Organismen dürfen in der EU nicht in Saatgut und Lebensmitteln enthalten sein, wenn sie nicht explizit zugelassen sind (trifft z.B. auf manche gentechnische Soja- oder Maispflanzen zu, die in Nord- und Südamerika angebaut werden dürfen und mit den Exporten nach Europa gelangen). "Null" heißt: auch geringe Spuren führen dazu, dass die Ware abgewiesen oder vernichtet wird.

Lobbyisten der Agrarindustrie fordern eine Auflockerung, angeblich drohten sonst „Versorgungsengpässe“. Bei Futtermitteln wurde die Nulltoleranz daher bereits abgeschafft. Gentechnik-kritische Umwelt-, Verbraucher- und Landwirtschaftsverbände wehren sich gegen eine Aufweichung bei Saatgut und Lebensmitteln. So könnte die Einführung eines Schwellenwerts von 0,1% bei Saatgut zur Folge haben, dass etwa 100 nicht-genehmigte Gentechnik-Pflanzen pro Hektar in einem Maisfeld wachsen, warnt Greenpeace.

Dass Nulltoleranz möglich und verhältnismäßig ist, zeigen die jährlichen Kontrollen, die die Behörden der Bundesländer durchführen. So war Raps-Saatgut zwischen 2013 und 2016 zu 0% mit Gentechnik belastet, bei Mais waren es 1,4-1,6% (Saatgut-Kontrollen von 2013, 2014, 2015).

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Weitere Daten und Dokumente

13 bis 20% des Sojas in Deutschland gentechnik-frei

Deutschland importierte 2013/2014 nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums von Baden-Württemberg 6,5-7 Mio. Tonnen Soja. Davon wurden 4-5 Mio Tonnen im Land weiter verwendet, als Sojaschrot im Futtertrog (der Rest wurde wieder exportiert).

Der Deutsche Verband Tiernahrung schätzt, dass 600.000 bis 900.000 Tonnen gentechnikfreies Soja pro Jahr eingefürt werden. Das entspricht 13-20% des deutschen Verbrauchs.

Stellungnahme Ministerium (April 2014)


Mindestens 20% der Händler bieten gentechnikfreie Futtermittel an

Für seine Abschlussarbeit an der Universität Kassel interviewte der Agrarstudent Phillip Brändle 480 Futtermittelanbieter in Deutschland. Jeder Fünfte (21%) hatte 2011 gentechnikfreie Eiweißfuttermittel im Angebot. Genauso viele hatten kein gv-freies Futter, 57% hatten keine relevanten Produkte (vertreiben Futter für Heimtiere oder stellen nur Zusatzstoffe her). 2013 hatten immer noch fast 90% der Händler, die angegeben hatten, gv-freies Eiweißfutter zu verkaufen, solche Futtermittel im Sortiment. 5,8% gaben an, aus dem Segment ausgestiegen zu sein.

Brändle 2013: Zusammenfassung: Verfügbarkeit ‚gentechnikfreier‘ Eiweißfuttermittel in Deutschland?


Gentechnikfreies Soja verfügbar

Nach Angaben des Zertifizierungsunternehmens CERT ID ist 2013 deutlich mehr gentechnikfreies Soja verfügbar als 2012. Das Unternehmen nimmt an, dass es dieses Jahr fast 5,9 Millionen Tonnen Soja aus Brasilien als nicht-genmodifiziert kennzeichnen wird, 2012 waren es wegen der Dürre nur 4,3 Mio Tonnen. Zwischen 20 und 25 Prozent des brasilianischen Sojas sei gentechnikfrei, in China und Indien seien es 100 Prozent. Neben CERT ID operieren noch weitere Zertifizierer am Markt, die verfügbare Menge dürfte also noch größer sein.

CERT ID: Cert ID-certified Non-GMO soybean meal and other soy products: Volumes available from South America and worldwide (Februar 2013)


Die Verwertbarkeit von gentechnisch verändertem Soja im Vergleich zu Natursoja

Was Praktiker schon lange wissen, ist auch wissenschaftlich nachgewiesen. Die Kosten der Futtermittel richten sich nicht nach dem Preis je 100 kg, sondern nach dem, was man aus dem Futter an Leistung herausholt. Die ehrlichen Mehrkosten für GVO-frei sind effektiv so gering, dass dies die bessere Nährstoffverwertung mehr als ausgleicht. Dass nebenbei auch noch die Tiergesundheit steigt und damit weniger Medikamente nötig sind, bestätigen die Praktiker täglich.

● Dr. Peter Hamel, Mai 2008
Die Verwertbarkeit von gentechnisch verändertem Soja im Vergleich zu Natursoja


Möglichkeit der Fütterung von Milchkühen ohne Sojaextraktionsschrot

Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit den Auswirkungen der gentechnikfreien Fütterung der Milchkühe in Deutschland auf den Einzelbetrieb.

● Dr. Christian Krutzinna, Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften. Nov. 2004.
Möglichkeiten der gentechnikfreien Fütterung (172 KB)

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