Anfang dieses Jahres erhielt die US-Firma Cibus das ersehnte Schreiben der deutschen Behörde. Die bestätigte: ihr herbizidresistenter Raps sei keine Gentechnik-Pflanze. Doch für die Frage, ob es sich um Gentechnik handelt oder nicht, ist eigentlich die EU zuständig – die mahnte das deutsche Amt denn auch zur Geduld. Klar ist jedenfalls, wer nicht mitreden soll: die Öffentlichkeit.
So versicherte das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) schon im Juli 2014: bei der Beurteilung der Rapspflanzen werde es „keinerlei Beteiligung oder aktive Information der Öffentlichkeit“ geben. Das geht aus einem Email- und Briefwechsel zwischen Behörde und Perseus, einem belgischen Dienstleistungsunternehmen, das Gentech-Firmen wie Cibus vertritt, hervor.
Gentechnik-kritische Organisationen veröffentlichten diesen nun – sie hatten auf ihr gesetzlich verankertes Recht auf Informationsfreiheit gepocht. An vielen Stellen der Korrespondenz wurde jedoch geschwärzt – gerade technische Details sind aus Sicht von Behörden und Firmen Geschäftsgeheimnis.
Cibus hat den gegen Spritzmittel resistenten Raps mittels einer Variante des „Genome Editing“, der Oligonukleotid-gesteuerten Mutagenese (OgM) entwickelt. Die US-Firma nennt ihren Ansatz „Rapid Trait Development System“ (RTDS). „Bei der Anwendung der RTDS-Technologie werden zelleigene DNA-Reparaturmechanismen ausgenutzt“, schrieb ein Mitglied der Zentralen Kommission für die Biologische Sicherheit (ZKBS), das die deutsche Politik in Gentechnik-Fragen berät. „Das Schlüsselelement dieser Technologie ist ein chemisch synthetisiertes Oligonukleotid.“ Bausteine der DNA wurden also künstlich im Labor erzeugt.
Noch ist nicht geklärt, ob OgM als Gentechnik eingestuft wird – und damit bestimmte Vorschriften greifen: zur Risikobewertung und Kennzeichnung beispielsweise. Gentechnik-Unternehmen wie Cibus wollen ihre Pflanzen möglichst als „konventionell“ verstanden wissen, um sie schneller vermarkten zu können. Von Großbritannien, Schweden, Finnland und den Niederlanden erhielt Cibus die gewünschte Einschätzung: der Raps sei nicht im Sinne des Gesetzes gentechnisch verändert, daher sei für Freisetzungen keine Genehmigung nötig. Bis Ende 2015 will die EU-Kommission sich zu OgM und anderen neuen Techniken der DNA-Veränderung äußern.
Umwelt- und Verbraucherschützer ärgern sich derweil über die Geheimniskrämerei. „Wir sind empört, dass das BVL bei einer so wichtigen Frage die Öffentlichkeit komplett ausschließen wollte“, kritisiert Christof Potthof vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin. „Dabei geht es um eine Grundsatzentscheidung, was in Zukunft unter Gentechnik zu verstehen ist und was nicht. Alarmierend ist für uns, wie vertraulich es dabei zwischen Behörde und Industrie zuging. Offensichtlich wollte man Fakten schaffen, bevor die EU-Kommission ihre Bewertung des CIBUS-Raps abgeschlossen hat.“
Nach Ansicht der NGOs sind etwaige Risiken des Genome Editing völlig ungeklärt. Deshalb müssten die neuen Pflanzen sorgfältig geprüft werden. So hatte die norwegische Biosicherheits-Stiftung Genok vor einigen Monaten einen Bericht zu den neuen Techniken veröffentlicht. Ihr Fazit: es könne zu unbeabsichtigten Erbgutveränderungen kommen, ähnlich wie bei der „klassischen“ Gentechnik.
„Wirtschaftliche Interessen der Industrie dürfen nicht dazu führen, dass geltendes Recht einfach außer Kraft gesetzt wird“, meint Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). „Maßstab der Bewertung muss der Schutz der Gesundheit, der Umwelt und der gentechnikfreien Landwirtschaft sein.“
„Die Gentechnik-Gesetzgebung wurde richtigerweise geschaffen, um Gesellschaft und Umwelt vor unabsehbaren Folgen der Freisetzung und Verwendung von Organismen zu schützen, in deren Genom mit molekularen Techniken eingegriffen wurde“, erinnert Antje Kölling vom Bioverband Demeter. „Diese Gesetzgebung darf nun nicht heimlich unterlaufen werden, um einseitige wirtschaftliche Interessen zu schützen.“ [dh]