Ist der weltweit meistverkaufte Herbizidwirkstoff nun krebserregend für Menschen oder nicht? Wer hat mehr Studien ausgewertet und wie interpretiert? Über diese Fragen streiten wissenschaftliche Institute Deutschlands, der EU und der WHO derzeit mit Verve. Das Ackergift wird unterdessen weiter eingesetzt – und könnte auch Bienen schaden, wie eine neue Untersuchung zeigt.
Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und der Universität Buenos Aires fanden heraus, dass Bienen, die eine Zuckerlösung mit geringen Mengen Glyphosat aufgenommen hatten, länger brauchten, um zurück in den Stock zu finden und dabei Umwege flogen. Ihr Orientierungssinn hatte sich also verschlechtert – auch bei Glyphosatmengen, die üblicherweise in der Landwirtschaft zu finden seien, so die Forscher. Ihre Studie wurde nun im Fachmagazin Journal of Experimental Biology veröffentlicht.
„Es ist besorgniserregend, dass sogar wenige kurzzeitige Kontakte mit Glyphosat solche Beeinträchtigungen hervorrufen, denn eine wiederholte Aufnahme bei den Bienen ist zu erwarten“, kommentierte Thomas Radetzki vom Imkerverein Mellifera die Forschungsergebnisse. Von der Bundesregierung fordern Mellifera, der Deutsche Imkerbund und der Deutsche Berufs- und Erwerbsimkerbund deshalb, sich für ein EU-weites Glyphosatverbot einzusetzen.
Der ständige Einsatz von glyphosathaltigen Totalherbiziden führe auch dazu, dass weniger Blüten und somit weniger Nahrung für Bienen und andere wichtige Bestäuber zur Verfügung stünden. „Die unzureichende Nektar- und Pollenversorgung spielt besonders im Sommer ein bedeutende Rolle und hat Einfluss auf die Bienengesundheit“, so Peter Maske, Präsident des Deutschen Imkerbundes.
Die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) der WHO hatte Glyphosat-Herbizide im Frühjahr als „wahrscheinlich krebserregend“ für Menschen eingestuft. Europäische Behörden, darunter das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), sehen das anders. Sie beziehen sich aber vor allem auf den reinen Wirkstoff Glyphosat, nicht auf die Giftmischungen, die letztlich auf dem Acker landen. Vorwürfe, nicht alle Studien beachtet zu haben, wies das BfR gestern erneut zurück. Entschieden ist der Streit der Wissenschaftler jedenfalls noch lange nicht. [dh]