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Verwilderte Gentechnik

Gentechnisch veränderte Pflanzen wachsen auch in Ländern, in denen sie eigentlich gar nicht angebaut werden dürfen. Zum Beispiel, weil beim Transport Samenkörner verloren gehen. Ein neuer Bericht fasst zusammen – und warnt vor noch schnellerer Verbreitung, wenn neue Techniken der DNA-Manipulation wie CRISPR-Cas angewendet werden.

Ob in Europa, Nordamerika, Asien oder Afrika – vielerorts gibt es Meldungen über ungewollte Ausbreitung von gentechnisch veränderten Organismen. Der Verein Testbiotech aus München beobachtet die Lage seit Jahren. Er wertet Forschungsergebnisse, Berichte von Behörden und Medien aus.

Beispielsweise aus Südkorea: dort testete ein nationales Institut 521 Proben von Pflanzen, die entlang von Straßen und Eisenbahngleisen wuchsen, auf künstlich eingebaute DNA. 21 Mal wurden die Experten fündig. Zwar erlaubt das Land den Anbau von gentechnisch verändertem Mais, Soja oder Baumwolle nicht – die Körner, Bohnen und Samen werden aber importiert und als Viehfutter genutzt. Derzeit sei aber unklar, „ob Genfluss in Wildformen der betroffenen Kulturpflanzen stattfindet, ob die Populationen persistent sind oder sich aufgrund von ständigen Transportverlusten etabliert haben“, erklärt Testbiotech.

Der Verein erwähnt auch einen Fall aus China, wo eine Behörde bestätigte, dass gentechnischer Reis als Lebensmittel verkauft worden war – obwohl es dafür keine Genehmigung gibt. In Südafrika hat sich laut einer von Testbiotech zitierten Studie insektengiftiger Mais des Konzerns Monsanto in herkömmliches Saatgut gemischt. Die Bauern, die den Mais auf ihren Feldern aussäen, wissen davon nichts. Der Gentech-Mais sei so „unbeabsichtigt ein fester Bestandteil des lokalen Mais-Saatgutes geworden“.

Testbiotech glaubt, dass die ungewollte Verbreitung von gentechnischen Organismen noch zunimmt, wenn in den kommenden Jahren Produkte auf den Markt kommen, die mittels neuer Techniken hergestellt wurden. Das CRISPR-Cas-Verfahren, das zurzeit viel Aufmerksamkeit von Forschern und Wissenschaftsjournalisten erhält, ist so eine Technik. Es soll präzisere Erbgutveränderungen ermöglichen als die „klassische“ Gentechnik – und eine schnellere Vererbung der eingebauten Eigenschaften über sogenannte „Gene Drives“. Zwar gibt es auch beim angeblich so präzisen CRISPR unvorhersehbare Effekte in der DNA, wie verschiedene Publikationen zeigen.

Doch davon abgesehen: die neuen Techniken befinden sich zurzeit in einer rechtlichen Grauzone. Nur wenn sie als Gentechnik eingestuft werden, greifen Regeln für die Kennzeichnung und Risikobewertung. Weder die EU, noch die USA, noch sonst ein Land haben bislang klar gemacht, was sie von den neuen Verfahren halten – Brüssel will sich allerdings bis Ende des Jahres dazu äußern. Geht es nach Testbiotech, würde sich die internationale Gemeinschaft – ähnlich wie beim Klimaschutz – auf eine gemeinsame Herangehensweise verständigen. Am besten auf ein Verbot von gentechnisch veränderten Organismen, wenn die Chance besteht, dass diese sich unkontrolliert ausbreiten. Und die ist laut Testbiotech durchaus da: „Evolutionäre Prozesse führen dazu, dass sich auch Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit realisieren können. Das macht eine seriöse Risikoabschätzung unmöglich“, so die Münchner.

„Wir stehen vor einer grundlegenden Weichenstellung. Die unkontrollierte Ausbreitung und Vermehrung gentechnisch veränderter Organismen in der Umwelt bedeutet eine neue Dimension der Gefährdung für die Biodiversität und damit für die Zukunft des Planeten“, warnt Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then. „Alle nachfolgenden Generationen müssen mit Risiken und Langzeitfolgen leben, die heute durch kurzfristiges Gewinnstreben und politische Nachlässigkeit verursacht werden.“ [dh]

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