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CRISPR für Schweden nicht immer Gentechnik

Aus Sicht einer schwedischen Landwirtschaftsbehörde bringt das neue molekularbiologische Verfahren CRISPR-Cas9 nicht immer Gentechnik-Pflanzen hervor. Teilweise fielen die entstehenden Organismen nicht unter die Gentech-Definition der Europäischen Union, erklärte das Amt gegenüber Medien. Entscheiden muss allerdings die EU-Kommission.

Auf Anfrage von Universitätsforschern beschäftigte sich die schwedische Behörde mit CRISPR-Cas9. Bei der Technik wird der natürliche Reparaturmechanismus von Zellen ausgenutzt, um erwünschte Änderungen im Erbgut von Pflanze, Tier, Mikroorganisus – oder auch Mensch – zu erreichen. Da dabei Organismen entstehen können, die mit herkömmlichen Mitteln nicht von natürlichen Organismen unterscheidbar sind, schlussfolgerte die Behörde: das Endresultat sei nicht unbedingt ein gentechnisch veränderter Organismus (GVO).

DEUTSCHE BEHÖRDE: DITO

Ähnlich beurteilt das auch das deutsche Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Im November veröffentlichte die Berliner Behörde eine juristische Stellungnahme, wonach CRISPR-CAS9 und andere neue Gentech-Verfahren wie die Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese (OgM) nicht zu GVO führten, wenn keine „unnatürlichen Veränderungen“ vorgenommen würden.

Das Hauptargument der schwedischen und der deutschen Regierungsstelle lautet also: die Genmodifikation bei einer Pflanze – die es beispielsweise ermöglicht, dass Mais oder Raps systematisch mit Herbiziden besprüht werden können, ohne selbst Schaden zu nehmen – kann sowohl im Labor verursacht werden als auch in der Natur auftreten. Deshalb sei die Unterscheidung von Gentechnik-Pflanze und natürlicher Pflanze überholt.

DEUTSCHE JURISTEN: CONTRA

Deutsche Juristen sehen das aber anders. Sie kamen in zwei Gutachten zu dem Schluss, neue Gentechniken wie CRISPR-Cas9, OgM oder Zinkfingernuklease-Techniken fielen sehr wohl unter das Gentechnik-Recht. Erstens, weil laut Gesetz der Entstehungsprozess der Pflanze ausschlaggebend ist, nicht das Endprodukt. Wenn also bestimmte Bausteine des Erbguts künstlich in die Zelle einer Pflanze eingebracht werden, entsteht ein GVO – egal, ob das externe Material am Ende noch nachweisbar ist oder nicht. Zudem entwickle sich die Wissenschaft weiter, so dass neuere Analyseverfahren auch diesen kleinen DNA-Manipulationen auf die Schliche kommen könnten.

Zweitens, so die Rechtsexperten, könne man die neuen Genomtechniken – oft ist von „Genome Editing“ die Rede - nicht einfach in einen Topf mit der herkömmlichen Züchtung werfen. Zwar wäre das aus Sicht der Entwickler und der Lobbyisten der Gentech-Branche wünschenswert, weil ihre Pflanzen dann schneller und ohne Sicherheitsvorschriften vermarktet werden könnten. Aber die klassische Mutagenese, die teils auch mit Bestrahlung oder chemischen Substanzen herbeigeführt wird, gilt aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung als sicher. Bei den neuen Verfahren gibt es hingegen auf viele Fragen noch keine Antwort.

So mahnten die Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften und die Union der deutschen Akademien der Wissenschaften, die sich mit der Anwendung von CRISPR beim Menschen beschäftigen: bevor medizinische Eingriffe vorgenommen werden könnten, müsse die Technik noch weiter erforscht werden, damit „unbeabsichtigte Mutationen an anderen Stellen im Genom (off-target-Mutationen) verhindert werden. Weiterhin fehlen prinzipiell für die verantwortbare Veränderung von Gensequenzen in menschlichen Zellen häufig noch die notwendigen Einblicke in das komplexe Wechselspiel der Gene bzw. individuellen Genvarianten“, so die Wissenschaftler, die CRISPR und Co grundsätzlich begrüßen.

Forscher des norwegischen Genok-Instituts verwiesen im Juni auf wissenschaftliche Untersuchungen, wonach CRISPR auch im Pflanzen-Erbgut zu nicht beabsichtigten Aktivitäten führen kann, zum Beispiel bei Reis.

EU-KOMMISSION MUSS ENTSCHEIDEN

Die Europäische Kommission will sich bis Ende des Jahres zu mehreren „Neuen Züchtungstechniken“ äußern. Ihre Einschätzung ist – im Gegensatz zu denen der schwedischen und deutschen Behörden – juristisch entscheidend. Und folgenschwer: denn sollte Brüssel, und danach sieht es aus, einige der Techniken von der Gentechnik-Regulierung ausnehmen, können damit kreierte Pflanzen schon bald in der hiesigen Landwirtschaft genutzt werden. Anders als bei der „normalen“ Gentechnik müsste aber keine Risikoprüfung durchgeführt werden. Auch Verbraucher könnten beim Einkauf nicht erkennen, ob Zutaten der Lebensmittel von diesen gentechnischen „Nicht-Gentechnik“-Pflanzen stammen. [dh]

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