Neue Gentechnik-Verfahren wie CRISPR-Cas9 oder die Oligonukleotid-gesteuerte Mutagenese sollen das Basteln am Erbgut von Pflanzen und Tieren einfacher, schneller und billiger machen als je zuvor. Damit könnte auch die Dominanz mächtiger Saatgut- und Chemiekonzerne gebrochen werden, argumentieren Fans. Ein Blick auf die Patente zeigt aber: die Alten haben die Nase weit vorn.
Dutzende Patente auf neue neue Gentechnik-Anwendungen wurden zwischen 2010 und 2015 bei der Weltorganisation für geistiges Eigentum beantragt, hat der Verein Testbiotech aus München ermittelt. 33 mal wurde der patentrechtliche Schutz für die Anwendung von Nuklease-Techniken beantragt – dazu gehören CRISPR-Cas oder die Zinkfingernukleasetechnik. 20 Anträge bezogen sich auf RNA-Interferenz-Techniken (RNAi), zwölfmal wurde der Gebrauch von synthetischen Oligonukleotiden als geistiges Eigentum beansprucht.
Ganz vorne dabei: die Agrochemiekonzerne Dow und Dupont – die zudem bereits eine Fusion beschlossen haben. Auch Bayer, Monsanto und Syngenta haben bereits mehrere Patentanträge gestellt. Es sind just jene fünf Unternehmen, die bereits heute gut die Hälfte des kommerziell gehandelten Saatguts kontrollieren – und zahlreiche Patente auf gentechnisch veränderte sowie konventionell gezüchtete Pflanzen halten. Anders als traditionelle Züchter und kleine Technologiefirmen hätten die Konzerne die Ressourcen, nicht nur einzelne Patentanträge zu stellen, sondern auch „Serien von strategischen Anträgen“ und die damit einhergehenden, kostspieligen Rechtsstreitigkeiten durchzustehen, meint Testbiotech. Zudem hätten sie es dank der bestehenden Infrastruktur wesentlich leichter, Produkte erfolgreich auf den Markt zu bringen.
Dabei geht es nicht nur um Pflanzen wie Mais und Soja sowie die dazu passenden Pestizide. Auch Tiere werden mit neuen Gentechnikverfahren „optimiert“. Unter den Patentanträgen fand Testbiotech viele, die sich auf Schweine oder Kühe beziehen. Beispielsweise solche, deren DNA mittels sogenannter Genscheren der TALEN-Technik (Transcription Activator-like Effector Nuclease) so verändert wurde, dass sie mehr Muskelmasse – sprich Fleisch – ansetzen. Bei anderen Tieren wurde durch CRISPR oder Zinkfingernuklease-Technik verhindert, dass sie geschlechtsreif werden – so kann die Fortpflanzung und damit das Weiterzüchten im bäuerlichen Stall unterbunden werden.
Trotz Werbeversprechen, die neuen Gentechniken seien präziser und die Eingriffe minimal, warnt Testbiotech auch vor ungewollten Auswirkungen. Es sei egal, ob nur kleine DNA-Schnipsel eingebaut, die DNA nur an bestimmten Stellen geschnitten oder nur einzelne Gene stillgelegt würden: „Jede dieser Anwendungen ist mit komplexen technischen Prozessen verbunden, die unbeabsichtigte Effekte im Genom und/oder der Genregulation wahrscheinlich machen.“ Deshalb dürfe man nicht auf eine detaillierte Risikoprüfung verzichten, mahnt der Verein.
Genau das fordert die Gentech-Branche aber – die neuen Verfahren sollen nicht als Gentechnik eingestuft und Vorsichtsmaßnahmen so umgangen werden. Die EU-Kommission will sich im März dazu äußern, welche der Techniken ihrer Ansicht nach zur Gentechnik zählen und welche nicht.
„Die Industrie zeichnet in der Öffentlichkeit ein falsches Bild. Die neuen Gentechnik-Verfahren zeigen eine ähnliche Bandbreite von Nebenwirkungen und Risiken wie die bisherigen Methoden. Die Konzerne versuchen ihrer Technologie ein neues Image zu geben, um sie besser vermarkten zu können“, kritisiert Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then. „Parallel werden zunehmend auch Kühe und Schweine gentechnisch verändert. Das ist eine Entwicklung, die für Mensch, Tier, und Umwelt dramatische Folgen haben kann“, so der studierte Tierarzt.
Abgeordnete der Grünen im Europaparlament und im Bundestag warnten heute, auch die neuen Techniken müssten gekennzeichnet werden. „Wo Gentechnik drin ist, muss auch in Zukunft Gentechnik draufstehen. Die Menschen müssen selbst entscheiden können, ob sie derartige Produkte wollen oder nicht“, so Martin Häusling und Harald Ebner. „Würden die neuen Verfahren nicht als Gentechnik eingestuft, dürften sie ohne jede Risikoprüfung auf den Markt. Das mag gut für die Konzerne sein, es ist auf jeden Fall schlecht für Menschen, Umwelt und alle Anbieter gentechnikfreier Produkte.“ [dh]