Die für die Risikobewertung - auch bei Gentechnik und Pestiziden - zuständige EU-Behörde EFSA steht erneut in der Kritik. Ab Mai soll dort eine Lobbyistin der britischen Lebensmittelindustrie die Kommunikationsabteilung leiten. Verbraucherschützer fordern eine „Abkühlungsperiode“ von mindestens eineinhalb Jahren.
Es sei ein „archetypischer Fall des 'Drehtür-Effekts'“ zwischen Industrie und Behörden, wenn Barbara Gallani nun von der britischen Food and Drink Federation ins italienische Parma, wo die EFSA ihren Sitz hat, wechsele, kritisierte Corporate Europe Observatory am Freitag.
Der Verein Testbiotech aus München schrieb einen Protestbrief an den Chef der EFSA, Bernhard Url. Und verweist auf weitere Experten der Behörde, die auch enge Kontakte zur Industrie pflegen: „Wie unsere aktuelle Recherche zeigt, ist der Fall Gallani nur ein Symptom für das derzeitige Missmanagement bei der EFSA. Die Behörde scheint nach wie vor nicht in der Lage zu sein, ihre Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ausreichend zu schützen“, so Christoph Then, der Geschäftsführer des Vereins.
So sei ein langjähriger Mitarbeiter der Gentechnik-Abteilung der Behörde, Yann Devos, auch in mehreren Lobbyorganisationen „aktiv“, habe auf deren Veranstaltungen Vorträge gehalten und zusammen mit Mitarbeitern der Industrie wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht.
Auch ein Abteilungsleiter einer deutschen Behörde, der in EFSA-Arbeitsgruppen mitarbeitet, unterhält laut Testbiotech Verbindungen zu Industrie-Lobbyisten, genauer zum International Life Sciences Institute (ILSI). Dort sei Alfonso Lampen, der die Abteilung Lebensmittelsicherheit des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) leitet, zumindest als „Beobachter“ gelistet. Er sei aber auch schon als Mitglied einer Expertengruppe für Lebensmittelallergien genannt worden. Diesen möglichen Interessenkonflikt habe Lampen aber gegenüber der EFSA in seinen Erklärungen für 2014 und 2015 nicht angegeben, so Testbiotechs Kritik.
Der Verein forderte EFSA-Chef Url auf, auf einer vollständigen Offenlegung von Interessenkonflikten zu bestehen. Hauptamtliche Mitarbeiter der Behörde und externe Berater dürften nicht gleichzeitig aktive Rollen in Lobbyverbänden wie ILSI einnehmen. [dh]