Ein britischer und ein deutscher Verein haben die EU-Lebensmittelbehörde EFSA aufgefordert, mögliche Interessenkonflikte aufzuklären und eine unabhängige Risikobewertung von gentechnisch veränderten Organismen zu sichern. Es geht unter anderem um Mitarbeiter in verantwortungsvollen Positionen, die für Lobbyorganisationen der Industrie tätig waren oder noch sind. Der Behördenchef zeige „wenig Interesse daran, diese Probleme zu lösen“, kritisieren die NGOs.
Im März hatte der Verein Testbiotech aus München, der die Gentechnik-Risikobewertung seit Jahren kritisch begleitet, an EFSA-Direktor Bernhard Url geschrieben. Im Fokus der Kritik: die neue Kommunikationschefin der Behörde. Barbara Gallani hatte zuvor bei der britischen Food and Drink Federation gearbeitet, einem Lobbyorgan der Lebensmittelindustrie. Im Mai antwortete Url per Brief: Gallani habe einen rigorosen Auswahlprozess durchlaufen, zudem dürfe sie temporär nicht direkt solche Dossier bearbeiten, die von ihrem vorherigen Arbeitgeber stammen.
Der EFSA-Chef erklärte auch andere Vorwürfe für unbegründet. Beispiel Yann Devos: Testbiotech hatte kritisiert, der Mitarbeiter der EFSA-Gentechnik-Abteilung sei zeitgleich für die International Society for Biosafety Research (ISBR) tätig. Diese organisiert vor allem Konferenzen zu Gentechnik-Themen, die letzte fand 2014 in Kapstadt statt und wurde unter anderem von Monsanto, Bayer, Syngenta, Dow und Dupont Pioneer finanziert - also Unternehmen, die Gentechnik-Saatgut vertreiben. Der EFSA-Angestellte Devos war als Vorsitzender der ISBR-Programmkommission zuständig dafür, welche Themen dort diskutiert wurden. Es ging beispielsweise um die Gentechnik-Regulierung in der EU, um Gentechnik-Forschung in Afrika und darum, wie wissenschaftliche Erkenntnisse der Gentechniker kommuniziert werden sollten - beispielsweise per Kurznachrichtendienst Twitter.
Auf die maßgebliche Mitwirkung Devos an der Konferenz ging EFSA-Chef Url in seinem Brief jedoch nicht näher ein. Die Teilnahme an solchen wissenschaftlichen Symposien sei jedenfalls nötig, damit die Behördenmitarbeiter auf dem aktuellen Stand blieben.
Testbiotech und der britischen Organisation GeneWatch UK reichen diese Beschwichtigungen nicht. In einem offenen Brief an den Verwaltungsrat der EFSA warnen sie, die Unabhängigkeit der Gentechnik-Risikobewertung sei in Gefahr, wenn mögliche Interessenkonflikte so lax gehandhabt würden. Dies untergrabe auch das Vertrauen der Öffentlichkeit in die EU-Behörde.
„Wenn die Gesellschaft nicht darauf vertrauen kann, dass die Wissenschaftler und Behörden, die Mensch und Umwelt schützen sollen, unabhängig von den Interessen der Firmen sind, die mit Risikotechnologien Geld verdienen wollen, haben wir ein ganz grundlegendes Problem“, so Helen Wallace von GeneWatch UK. [dh]