Der US-Senat hat gestern dafür gestimmt, dass gentechnisch veränderte Zutaten in Lebensmitteln gekennzeichnet werden sollen. Ein Grund zur Freude also für amerikanische Verbraucher, die ja laut Umfragen genau diese Information haben wollen? Nein, denn Transparenz soll es nur per Smartphone oder Anruf bei einer Hotline geben. Beobachter sprechen von einem „großen Sieg“ für Lebensmittel- und Gentechnikkonzerne.
Stimmt auch das Abgeordnetenhaus zu, würde das Gesetz landesweit gelten - strengere Kennzeichnungsregeln für Gentechnik, wie sie seit Anfang Juli im Bundesstaat Vermont in Kraft sind, würden damit wieder abgeschafft. Mit 65 zu 32 Stimmen sprachen sich die Senatoren für den von Republikanern und Demokraten ausgehandelten Kompromiss aus.
Dieser sieht vor, dass Lebensmittelfirmen zwischen drei Möglichkeiten der „Kennzeichnung“ wählen können: sie können direkt auf die Verpackung schreiben, ob Gentechnik-Zutaten drin sind; sie können für mehr Informationen auf eine Telefonnummer oder eine Internetseite verweisen; oder sie können einen sogenannten QR-Code aufbringen, der vom Verbraucher mit einem Smartphone gescannt werden muss, wodurch eine entsprechende Webpräsenz aufgerufen wird.
Verbraucherschützer halten das für völlig ungeeignet: sie verweisen darauf, dass auch im High-Tech-Land USA erst zwei Drittel der Bevölkerung ein Smartphone besitzen - und dass insbesondere Haushalte mit niedrigem Einkommen, ältere Menschen sowie Bewohner ländlicher Gegenden seltener über ein solches Gerät verfügen. Eine Gentechnik-Kennzeichnung per QR-Code brächte ihnen also keinen Nutzen. Es sei „verstörend“, dass der Senat ein Gesetz unterstütze, dass bestimmte Gruppen „offen diskriminiert“, erklärte Andrew Kimbrell, Geschäftsführer des Center for Food Safety.
Ein weiteres Problem: offenbar ist der Entwurf so formuliert, dass bestimmte Gentechnik-Lebensmittel doch nicht gekennzeichnet werden müssten - beispielsweise Öl aus gentechnisch veränderten Sojabohnen. Auch neue Technologien wären aus dem Schneider: so müssten Gentechnik-Verfahren aus dem Bereich des „Genome Editing“ (Stichwort: CRISPR/Cas) und RNA-Interferenz-Techniken nicht kenntlich gemacht werden, analysiert Agri-Pulse Communications.
Die New York Times sieht in dem geplanten Kennzeichnungsgesetz einen „großen Sieg für Lebensmittelfirmen, Landwirtschaftsverbände und die Biotech-Industrie“. Allerdings hält die Zeitung es nicht für gesichert, dass auch das Abgeordnetenhaus zustimmt - die zweite Kongresskammer befürwortete bislang komplett freiwillige Kennzeichnungen.
In den USA gibt es bislang keine Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel, die Zutaten aus gentechnisch veränderten Pflanzen enthalten. Ganz im Gegensatz zur EU und vielen anderen Staaten. Das nutzen US-Hersteller: in vielen Snacks, Fertiggerichten oder Limonaden ist beispielsweise Stärke aus Gentechnik-Mais oder Zucker aus transgenen Rüben enthalten. [dh]
+++ UPDATE 11.07. +++ Der Gesetzentwurf wurde vom Senat final am Donnerstagabend mit 63 zu 30 Stimmen angenommen. Nun geht er ins Abgeordnetenhaus.
+++ ERGÄNZUNG 07.07. +++ Die gestrige Abstimmung im Senat diente zunächst dazu, die Zeit für die Debatte des Gesetzentwurfs zu begrenzen ("cloture") und so eine Blockade zu verhindern. Die eigentliche Abstimmung soll in Kürze folgen. Beobachter gehen klar von einer Zustimmung des Senats aus.