In Deutschland wurden im Jahr 2013 eine Million gentechnisch veränderte Tiere in Experimenten „verbraucht“ - fast dreimal so viele wie 2004. Die Möglichkeit, Gentech-Tiere zu patentieren, führe zu „Vermarktungsdruck“, heißt es in einem von den Grünen in Auftrag gegebenen Bericht. Das Leid der Tiere bringe aber nicht unbedingt medizinischen Fortschritt.
Insgesamt waren 2013 laut Zahlen des Agrarministeriums drei Millionen Tiere für Versuche herangezogen worden, ein Drittel davon war gentechnisch verändert, so der Autor des Berichts, der studierte Tierarzt und Gentechnik-Kritiker Christoph Then. Vor allem in das Erbgut von Mäusen und Ratten griffen die Gentechniker ein.
Schon vor den eigentlichen Versuchen gehe es diesen Tieren meist schlecht: „Die gentechnische Veränderung von Säugetieren ist ethisch nicht neutral, sondern führt in jedem Fall zu Leiden und Schmerzen. Für die Erzeugung einzelner gentechnisch veränderter Säugetiere müssen hohe Tierverluste in Kauf genommen werden, da viele Tiere aufgrund von Gen-Defekten nicht lebend geboren werden oder aber getötet werden müssen, weil sie krank oder nicht wie erwartet gentechnisch verändert sind.“
Als Beispiel nennt Then unter anderem Versuche in Neuseeland, Kühe gentechnisch zu verändern um ihre Milch mit speziellen Hormonen aufzupeppen. „Erst nach drei Jahren gelang es, sechs Kälber zu produzieren. Dafür wurden 226 Embryonen in Leihmutter-Tiere übertragen. Zwei der Tiere waren bei der Geburt tot, die anderen verendeten später oder mussten innerhalb von zwei Jahren aus Tierschutzgründen getötet werden. Die Tiere hatten riesige Ovarien und waren unfähig zur Fortpflanzung.“
Doch sind die speziell angepassten Gentech-Tiere nicht nötig, um neue Medikamente gegen schwere Krankheiten entwickeln zu können? Then ist skeptisch: „Ein unmittelbarer medizinischer bzw. therapeutischer Nutzen ist mit vielen dieser Tierversuche nicht verbunden. So haben 'Tierversuchsmodelle', das heißt gentechnisch veränderte Tiere, mit denen bestimmte Krankheiten des Menschen simuliert werden sollen, in den meisten Fällen die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt. Auch die Züchtung von Gentechnik-Schweinen als Organspender wird seit über 20 Jahren betrieben – ohne dass bisher ein konkreter medizinischer Nutzen für den Menschen erkennbar wäre.“
Auch neue Gentechnik-Verfahren wie die von Fans als sehr präzise bejubelte CRISPR-Cas9-Technik bieten laut Then nicht unbedingt einen Ausweg aus dem ethischen Dilemma von Tierleid und medizinischem Fortschritt. Denn auch diese „Gen-Editing“-Verfahren seien „längst nicht frei von Nebenwirkungen und in vielen Fällen nicht so präzise, wie behauptet. Zudem sind, wie schon bei den bisherigen Gentechnik-Verfahren, zahlreiche Zwischenschritte nötig, die zu einem erhöhten Tierverbrauch führen.“ Then beruft sich dabei auf Wissenschaftler aus Kalifornien, die letztes Jahr festgestellt hatten, dass es bei CRISPR sehr auf die Details ankomme, wie viele ungewollte Veränderungen im Genom auftreten.
Dass die Versuche an Gentechnik-Tieren so stark zugenommen haben, liegt laut Then unter anderem daran, dass die manipulierten Mäuse, Ratten, Hunde oder Schweine patentiert werden dürfen. Sie gelten als technische Erfindung. 1.500 Patente seien bereits erteilt, insgesamt 5.000 beantragt worden. Nicht nur Pharmafirmen hätten Patente auf Gentech-Tiere angemeldet, sondern auch mit Steuergeldern finanzierte Einrichtungen wie Max-Planck-Gesellschaft und das Helmholtz-Zentrum, kritisiert Then.
„Von diesen Patenten geht ein wirtschaftlicher Anreiz aus, der zu einem deutlichen Anstieg von Tierversuchen führen kann: Zum einen werden oft im Vorfeld der Patentanmeldung Tierversuche durchgeführt, die dann im Patent als Beleg für die Durchführbarkeit des Verfahrens aufgeführt werden. Zum anderen entsteht ein spezifischer Vermarktungsdruck: Die Laufzeit eines Patentes beträgt 20 Jahre. In diesem Zeitraum sind in der Regel auch Aktivitäten zu erwarten, das patentierte 'Produkt' gewinnbringend zu verwerten.“ [dh]