UPDATE - Für das sogenannte Gene Drive, eine Methode zur schnellen Verbreitung von Genen unter Populationen, haben die Mitglieder der Internationalen Naturschutzunion (IUCN) ein Forschungsmoratorium bis zum Jahr 2020 empfohlen. Zunächst müssten die Folgen der Methode für den Naturschutz abgeschätzt und ein IUCN-Leitfaden für den Umgang mit Gene Drive entwickelt werden. Forschung und vor allem Feldversuche zu Gene Drive solle die IUCN so lange nicht unterstützen. 71 Staaten und 355 NGOs hatten den nicht bindenden Beschluss kurz vor dem Weltnaturschutzkongress digital gefasst.
Beim Kongress selbst wurde die neue Technologie kontrovers diskutiert. Der amerikanische Genforscher Kevin Esvelt, der sich als einer der ersten für neue Gentechnik-Methoden wie CRISPR-Cas9 aussprach, ist auch einer der größten Mahner: „Wenn im Labor etwas schief geht, kann das auch für Menschen außerhalb des Labors Folgen haben“, zitiert die Nachrichtenagentur AFP den 33-Jährigen. Er als Genforscher sei besonders beunruhigt, denn Wissenschaftler seien für alle Folgen ihrer Arbeit moralisch verantwortlich.
Andere Kongressteilnehmer dagegen mahnten zur Eile. 38 Waldvogelarten seien auf Hawaii bereits durch Vogelkrankheiten ausgerottet worden, so der Hawaiianische Programmdirektor der amerikanischen Vogelschutzvereinigung. Von den übrigen 32 Arten seien zwei Drittel bedroht. Erforsche man die neuen Technologien nicht weiter, um die Vogelkrankheiten zu bekämpfen, lasse man diese Arten bewusst zugrunde gehen, mahnte der Vogelschützer.
Eine internationale Gruppe prominenter Wissenschaftler und Aktivisten hatte sich kurz vor dem Kongress in einem offenen Brief gegen Gene Drive ausgesprochen. „Gene Drive hat das Potenzial, unsere Natur und das Verhältnis der Menschheit zu ihr dramatisch zu verändern“, heißt es in dem Schreiben, das die Organisation Synbiowatch veröffentlicht hat. Damit könnten Umweltveränderungen von unvorstellbarem Ausmaß angestoßen werden, warnten etwa der Physiker Fritjof Capra oder die Verhaltensforscherin Jane Goodall. „Gene Drives sind eine Technologie, die darauf ausgerichtet ist, eine Spezies auszurotten“, erklärte die Ökologin und Mitunterzeichnerin Angelika Hilbeck, Vorsitzende des Europäischen Wissenschaftlernetzwerks für Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung (ENSSER).
Gene Drive dürfe nicht zum Einsatz kommen, bevor die Langzeitfolgen für das Ökostystem nicht umfassend erforscht sind, meinte auch der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner. Er forderte die Bundesregierung auf, die Empfehlung der IUCN in deutsches Recht umzusetzen.
Auf der Weltnaturschutzkonferenz diskutierten Anfang September rund 9000 Delegierte von Regierungen, Umweltorganisationen und Wissenschaftsinstitutionen aus mehr als 190 Staaten. Die IUCN umfasst 217 Staaten und Regierungsstellen, 1066 Nichtregierungsorganisationen und ein Netzwerk von mehr als 16.000 Experten weltweit.
UPDATE mit Stimmen vom Weltnaturschutzkongress [vef]