Der größte Deal der deutschen Wirtschaftsgeschichte ist geschlossen: Der amerikanische Saatgutgigant Monsanto lässt sich vom deutschen Chemiekonzern Bayer für 66 Milliarden US-Dollar kaufen. Beide hätten eine bindende Fusionsvereinbarung unterzeichnet, teilte Bayer heute nach einer Aufsichtsratssitzung in Leverkusen mit. Damit könnte der weltgrößte Konzern für Agrochemie entstehen, falls die Wettbewerbshüter und die Aktionäre von Monsanto zustimmen.
In dem seit Mai laufenden Übernahmepoker hatte Bayer sein Angebot schrittweise von 122 auf zuletzt 128 US-Dollar je Monsanto-Aktie erhöht. Außerdem sicherte Bayer Monsanto zwei Milliarden US-Dollar Ausgleichszahlung zu, falls die Kartellbehörden dem Deal nicht zustimmen. Bis Ende 2017 will Bayer die Transaktion abschließen.
Die Aktien beider Unternehmen begannen bereits am Mittag zu steigen – und mit ihnen der deutsche Aktienindex DAX. Von der Kombination der Bereiche Saatgut (Monsanto) und Spritzmittel (Bayer) erhoffen sich offenbar nicht nur die Firmenvertreter, „am erheblichen langfristigen Wachstumspotenzial“ des Agrarmarktes viel zu verdienen.
Die von Bayer-Chef Werner Baumann durchgesetzte Firmenehe ist jedoch umstritten. Monsanto steht seit Jahren wegen seiner gentechnisch veränderten Produkte unter Beschuss. Ein Hauptprodukt des Konzerns ist ferner der Unkrautvernichter Glyphosat, der von der Krebs-Agentur der Weltgesundheitsorganisation als potentiell krebserregend eingestuft wird.
Entsprechend kritisch waren die Reaktionen auf den Deal. Der Landwirtschaftsexperte von Greenpeace, Dirk Zimmermann, warnte vor einer bislang ungekannten Marktmacht des neuen Agrochemiegiganten. „Lösungen für eine nachhaltige Landwirtschaft werden auf der Strecke bleiben, die Lobbymacht des neuen Konzerns wird wachsen. Schon jetzt versteht sich die deutsche Politik zu oft als verlängerter Arm der Industrie“, beanstandete Zimmermann.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) monierte ebenfalls die marktbeherrschende Stellung des möglichen Megakonzerns im Bereich Saatgut, Gentechnik und Pestizide. Der Konzern werde künftig verstärkt diktieren wollen, was Landwirte anbauen und welche Produkte auf dem Markt verfügbar sind, sagte die BUND-Gentechnikexpertin Heike Moldenhauer. „Auch die Umwelt würde durch noch mehr Monokulturen und weitere Gentechpflanzen leiden.“
„Der Zusammenschluss ist eine sehr schlechte Nachricht für Bauern, Verbraucher, Umwelt und Natur“, bedauerte der grüne Agrarexperte im Europäischen Parlament, Martin Häusling. Bayer werde nun im Saatgutmarkt in vielen Bereichen ein Monopol besitzen, mit fatalen Folgen für den Wettbewerb. Die deutschen Aufsichtsbehörden und die europäische Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager müssten das verhindern, forderte Häusling. [vef]