Die Umwelt- und Agrarminister von zehn Bundesländern kritisieren, dass der jüngst vom Bundeslandwirtschaftsminister vorgelegte Entwurf zum Gentechnik-Gesetz ein bundeseinheitliches Verbot gentechnisch veränderter Pflanzen (GVO) unmöglich mache. In einem offenen Brief werfen sie Bundesminister Christian Schmidt vor, sich über bereits erzielte Einigungen hinweggesetzt zu haben. Sie bitten Schmidt dringend, den Entwurf nachzubessern.
Folgende Regelungen widersprächen dem Länderkompromiss aus diesem Frühjahr:
1. dass für ein bundesweites Anbauverbot von GVO das Einvernehmen von sechs Bundesministerien erforderlich ist;
2. dass die Länder „zwingende Gründe“ darlegen müssen, wenn sie ein Anbauverbot für Deutschland fordern. In der zugrundeliegenden EU-Richtlinie sei das nicht vorgesehen.
3. Angesichts der hohen Hürden für bundesweite Verbote müssten die Länder „regelmäßig“ selbst Anbauverbote erlassen. Die Voraussetzungen dafür seien im Entwurf jedoch nicht klar geregelt.
4. Werde eine Verordnung auf Bundeseben erlassen, müsse der Bund nicht mehr selbst die rechtlichen und fachlichen Voraussetzungen prüfen.
Mit all dem entziehe sich der Bund der Verantwortung für ein GVO-Verbot und überlasse sie den Ländern. Das werde unweigerlich zu einem Flickenteppich beim GVO-Anbau führen, monieren die VertreterInnen der Länder Baden-Württemberg, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Auch mehrere Verbände kritisieren den Entwurf scharf.
Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) fordert den Bund ebenfalls auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. Die Bundesregierung müsse sich selbst für ein bundesweites Anbauverbot einsetzen, wenn sie das für erforderlich halte - auch unabhängig von einer Ländermehrheit, so AbL-Expertin Annemarie Volling. Außerdem kritisiert die AbL, dass der Anbau von GVO zu Forschungszwecken trotz Verbot in der Landwirtschaft erlaubt bleibe.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) fordert die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf bei der Kabinettssitzung am 2. November zurückzuweisen. BUND-Vorsitzender Hubert Weiger verlangt, die Beteiligung von sechs Bundesministerien ersatzlos aus dem Entwurf zu streichen. Eine Ländermehrheit müsse für ein Anbauverbot reichen. Außerdem solle sich ein neu zu schaffender Arbeitsbereich beim Bundesamt für Naturschutz darum kümmern, wasserdichte Verbotsgründe zu liefern. Das Klagerisiko dürfe nicht auf die Länder abgewälzt werden. Weiger warnte zudem vor dem „politischen Erpressungspotential“ eines fusionierten Megakonzerns Bayer-Monsanto in der Bundesrepublik. Sollte die Übernahme wie geplant 2017 über die Bühne gehen, entstünde der weltgrößte Hersteller von genverändertem Saatgut.
Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) sieht durch einen uneinheitlichen „Flickenteppich“ beim GVO-Anbau die Existenz seiner mehr als 35.000 Mitgliedsunternehmen bedroht: Er würde für die mittelständisch geprägte ökologische Lebensmittelwirtschaft zu existenzgefährdenden Kosten und unbeherrschbaren Kontaminationsrisiken führen, heißt es in der Stellungnahme, die dem Informationsdienst Gentechnik vorliegt. Lebensmittel aus ökologischem Anbau dürfen gentechnisch nicht verändert sein. Der BÖLW fordert die Bundesregierung auf, sich auf EU-Ebene für europaweite Anbauverbote einzusetzen. Pollen und Samen gentechnisch veränderter Pflanzen würden durch Wind und Insekten verbreitet und machten an Landesgrenzen nicht halt.
Auf Antrag der Grünen wird am Donnerstagnachmittag der Bundestag über die Änderung des Gentechnik-Gesetzes debattieren. [vef]