Es wird immer wahrscheinlicher, dass nach fast 20 Jahren bald wieder gentechnisch veränderter (GVO) Mais in Europa zum Anbau zugelassen wird. Wie erwartet gab es heute auch im EU-Berufungsausschuss keine Mehrheit für oder gegen ein Verbot. Der Gentechnikexperte der Grünen im Bundestag, Harald Ebner, geht davon aus, dass die Europäische Kommission die drei Maislinien nun bald durchwinken wird.
Die EU-Kommission hatte drei GVO-Maissorten zum Anbau in der EU vorgeschlagen: MON 810 (Wiederzulassung), Bt 11 und 1507 (Erstzulassung). Das Zulassungsverfahren für die Maislinie 1507 läuft bereits seit mehr als zehn Jahren. Weil so lange geprüft wurde, hatten die Hersteller DuPont Pioneer und Dow Agrosciences bereits erfolgreich Untätigkeitsklage beim Europäischen Gerichtshof erhoben. Deshalb steht die EU-Kommission jetzt unter Handlungsdruck. In einer Sitzung im Februar war allerdings darauf hingewiesen worden, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker könne den Vorschlag, die drei Maissorten zuzulassen, jederzeit wieder zurückziehen.
Im Lauf des Zulassungsverfahrens müssen die EU-Mitgliedsstaaten beteiligt werden. Diese haben nun auch im zweiten Gremium, dem Berufungsausschuss, keine qualifizierte Mehrheit für oder gegen den Anbau des GVO-Maises erzielt. Dafür wären nach Angaben einer Kommissionssprecherin mindestens 16 von 28 Mitgliedsstaaten nötig gewesen, die 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren müssen. Nach Informationen von Friends of the Earth Europe haben 14 EU-Mitglieder gegen die Wiederzulassung von MON810 gestimmt und damit zwei mehr als im Januar. Sie repräsentieren gut 30 Prozent der EU-Bevölkerung. Bei den Maissorten Bt 11 und 1507 waren sogar 16 Mitglieder (plus 3) für ein Verbot. Sie vertreten aber nur 47 Prozent der EU-Bevölkerung. Die Bundesregierung hat sich den Angaben zufolge wie bei der ersten Abstimmung im Januar enthalten, denn die große Koalition ist sich uneins.
„Deutschland hat sich mit einer Enthaltung um ein klares Nein gedrückt, obwohl die gentechnikfreie Produktion boomt“, kritisierte der Vorsitzende des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft, Felix Prinz zu Löwenstein. „Der Anbau von Gentechnik-Pflanzen kostet alle, die ihn nicht wollen, viel Geld.“
„Kommissionspräsident Juncker muss jetzt Farbe bekennen, ob er die weitgehende Gentechnik-Freiheit auf den Äckern in der EU erhalten will oder nicht“, sagte die Gentechnikexpertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Heike Moldenhauer. Der in der Vergangenheit bereits zugelassene Genmais Mon 810 ist in 17 EU-Ländern verboten – darunter Deutschland. Er werde auf weniger als einem Prozent der EU-Ackerfläche angebaut - hauptsächlich in Spanien.
Alle drei Maislinien produzieren ein Insektengift. Außerdem sind sie resistent gegen das Totalherbizid Glufosinat des Chemiekonzerns Bayer. Moldenhauer warf Agrarminister Christian Schmidt (CSU) daher vor, mit seiner Enthaltung in Brüssel vor den Firmen Bayer-Monsanto zu kuschen.
Ohne klares Votum stimmte der Ausschuss auch über die Frage ab, ob eine Reihe von Gentech-Maissorten des Herstellers Syngenta für die Verwendung in Futter- und Lebensmitteln zugelassen werden sollen. Es geht um die Sorten Bt11 × 59122 × MIR604 × 1507 × GA21 und ihre Kombinationen. Der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments hatte sich vergangene Woche bereits dagegen ausgesprochen. Sein Votum hat allerdings rechtlich keine Wirkung. Auch hier muss jetzt die EU-Kommission entscheiden. [vef]