Im November 2015 veröffentlichte die EU-Lebensmittelbehörde EFSA ihre Risikobewertung zu Glyphosat. Zwei Wochen vorher durften Vertreter der Pestizidhersteller den Entwurf der Bewertung lesen und umschreiben. Das belegen E-Mails, die von der Organisation Corporate Europe Observatory (CEO) veröffentlicht wurden. Die EFSA bezeichnete das Vorgehen als gängige Praxis.
In ihrer Bewertung kam die EFSA zu dem Schluss, dass Glyphosat nicht krebserregend sei und schlug vor, die Grenzwerte für die noch akzeptable Belastung mit Rückständen zu erhöhen. Wie der von CEO veröffentlichte Mailverkehr zeigt, schickte die EFSA den Entwurf 14 Tage vor der Veröffentlichung an das Beratungsunternehmen Dr. Knoell Consult. Es war im Auftrag der Glyhosate Task Force (GTF) tätig, einem Lobbyverband der Glyphosat-Hersteller.
Knoell sollte zusammen mit der GTF die Bewertung durchsehen und die Passagen schwärzen, die nach Ansicht der Hersteller vertrauliche Informationen enthalten und nicht veröffentlicht werden sollen. Die Mails zeigen, dass sich die Hersteller nicht darauf beschränkten: Der Kunde habe bei der Durchsicht einige Fehler entdeckt, schrieb Knoell in einer der Mails und in einer weiteren hieß es, das Unternehmen Dow Agroscience habe einige Zweifel an den Schlußfolgerungen der Behörde. Zwar weist der EFSA-Mitarbeiter darauf hin, dass das eigentlich nicht der richtige Zeitpunkt für solche Einwände sei – doch sie wurden zum Teil berücksichtigt: „Alle ihre Kommentare zu den Seiten 44, 46 und 53 des Berichts wurden übernommen“, heißt es in der Mail. Knoell teilte einen Tag später mit, dass die Glyphosathersteller mit den dargelegten Änderungen einverstanden seien und die EFSA den Bericht nun veröffentlichen könne. Anhand der E-Mails ließ sich allerdings nicht nachvollziehen, welche Änderungen konkret vorgenommen wurden, schreibt CEO.
Nach Angaben der Organisation ist dieses Vorgehen kein Einzelfall, sondern in den Richtlinien der EFSA so festgelegt. Die Hersteller von Pestizidwirkstoffen, die von der EFSA bewertet werden, erhalten den Bericht vorab, um alle ihrer Meinung nach vertraulichen Informationen daraus zu entfernen. Dieses Vorgehen gebe der Industrie die Möglichkeit, hinter verschlossenen Türen zwei Wochen Druck auf die Behördenmitarbeiter auszuüben, schreibt CEO. Gleichzeitig würden die Anfragen kritischer Organisationen mit Verweis auf Geschäftsgeheimnisse abgelehnt und Industriestudien unter Verschluss gehalten. [lf]