Auf Weisung der Regierung hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die aufsehenerregende Studie zu gesundheitlichen Auswirkungen von Gentech-Mais des Herstellers Monsanto geprüft. Die Behörde kommt zu dem Schluss, es bestünde „kein Anlass für eine Neubewertung von Glyphosat und gentechnisch verändertem Mais NK 603.“ Die Thesen der französischen Forscher seien „nicht ausreichend belegt.“ Dabei wiederholt das BfR die gleichen Argumente, die von einigen Kritikern und Monsanto selbst vorgetragen worden waren. Unterdessen fordern unabhängige Wissenschaftler in einem offenen Brief eine ehrlichere Debatte der Untersuchungsergebnisse.
In ihrem gestern vorgelegten Bericht bemängelt die Bundesbehörde „Unzulänglichkeiten des Studiendesigns sowie der Art der Präsentation und Interpretation der Daten.“ Die Schlussfolgerungen der französischen Forscher um Gilles-Eric Séralini seien deshalb nicht nachvollziehbar. Séralini und seine Kollegen hatten in ihrer Untersuchung festgestellt, dass mit Gentechnik-Mais gefütterte Ratten häufiger an Krebs erkranken und früher sterben als ihre Artgenossen.
Das BfR, das im Mai selbst für seine Nähe zur Gentechnik-Industrie kritisiert worden war, führt dabei vor allem Punkte an, die kurz nach Erscheinen der Studie von Monsanto und einigen Wissenschaftlern ausgemacht und in der Medienberichterstattung weitestgehend unhinterfragt übernommen wurden. So wird kritisiert, die Studie habe eine Rattenart verwendet, die ohnehin zur Tumorbildung neige. Außerdem seien die Versuchgsruppen zu klein gewesen.
Diese Kritik stößt bei unabhängigen Experten jedoch auf Unverständnis. Die Ratten seien dieselben, die auch die Industrie für ihre Studien verwendet – und so die Zulassung für viele ihrer Gentechnik-Pflanzen von der EU erhalten hat. Außerdem folge die französische Untersuchung den Richtlinien der OECD für die Prüfung auf sub-chronische orale Toxizität. Auch die Industrie tut dies – allerdings mit dem Unterschied, dass sie die Versuchstiere nach drei Monaten tötet, während die französische Studie zwei Jahre lang lief und noch zusätzliche Daten erhob. Dass die Ratten, die Gentechnik-Mais fraßen, so häufig an Krebs erkrankten, war auch für Séralini und seine Kollegen eine Überraschung. Hätten sie dies von Anfang an vermutet, hätten sie wohl eine anderes Studiendesign herangezogen.
Der Biotechnologie-Experte Christoph Then hatte im Interview ebenfalls auf diese Punkte verwiesen. Er erklärte, die Hersteller von Gentechnik-Pflanzen untersuchten die Wirkungen häufig nur anhand weniger Gruppen, die tatsächlich gentechnisch verändertes Futter bekämen, und setze diese dafür in Relation mit einer größeren Zahl an Kontrollgruppen. Dadurch werde die statistische Auswertung allerdings „fragwürdig“. Then riet dazu, die Erkenntnisse der französischen Studie Ernst zu nehmen.
Darin dürften ihm wohl auch die Wissenschaftler zustimmen, die heute einen offenen Brief für eine ehrlichere, ausgewogenere Debatte der Risiken von Gentechnik-Pflanzen veröffentlichten. Die Experten der Universitäten Canterbury und Grampian in Großbritannien, der kanadischen Guelph-Universität, des renommierten Salk Instituts in Kalifornien und des Bioscience Resource Project fordern, die gentechnikfreundlichen Industrie-Studien genauso kritisch zu hinterfragen wie die nun von Vielen verrissene Untersuchung der Franzosen. Insbesondere betonen sie die Rolle der Wissenschaftsredaktionen in wichtigen Zeitungen und anderen Medien, die die Aussagen der Kritiker meist vollständig übernommen hätten – und das, obwohl diese Teil einer Kampagne des britischen Science Media Centre gewesen seien. Zu dessen Geldgebern zählen auch die wichtigen Gentechnik-Konzerne.
Das BfR ist nicht die einzige Behörde, die die aufsehenerregende Studie prüft. Ende dieser Woche wird die Bewertung der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA erwartet. Auch Frankreich und Russland haben, neben anderen, eine Überprufung angeordnet.