Die für die Risikoprüfung von Gentechnik-Produkten zuständige Europäische Lebensmittelbehörde EFSA steht erneut in der Kritik. Diesmal kommt sie jedoch von offizieller Seite: Der EU-Rechnungshof weist in einem neuen Bericht auf „Drehtüreffekte“ zwischen der Behörde und der Industrie hin.
Neben EFSA werden noch drei andere Einrichtungen für mangelnde Transparenz gerügt. So hält der Rechnungshof fest, „dass keine der überprüften Behörden angemessen mit Fällen von Interessenkonflikten umgegangen ist.“ Es gebe eine Reihe von Missständen. Offen bleibt dabei, warum das Papier erst jetzt veröffentlicht wurde, obwohl der Rechnungshof seine Recherchen schon vor einem Jahr im Oktober abgeschlossen hat.
Das Gentechnik-Expertengremium der EFSA wird immer wieder wegen seiner Industrienähe kritisiert. Die Abgeordneten des EU-Parlaments verweigerten deshalb schon einmal die Entlastung des Budgets der Behörde – ein bislang einmaliger Vorgang. Nach Erkenntnissen des Instituts Testbiotech hatten und haben mehrere Mitglieder des Gremiums enge Kontakte zu Gentechnik-Herstellern. In den Fragebögen, die sie vor der Tätigkeit für die EFSA ausfüllen müssen, haben sie diese Interessenkonflikte oft nicht angegeben. Bei den Vorwürfen geht es meist um das International Life Sciences Institute (ILSI), eine Lobbygruppe der Agrochemiekonzerne.
In dem nun vom Rechnungshof analysierten Zeitraum war beispielsweise der Niederländer Harry Kuiper Vorsitzender der Gentechnik-Kommission der EFSA. Zur selben Zeit arbeitete er auch für ILSI, und das wohl kaum zum Nulltarif. Auch nach dem Abschluss der Rechnungshof-Prüfung im letzten Herbst hat sich an dieser Situation nichts geändert. Die beiden stellvertretenden Vorsitzenden des Gremiums, Gijs Kleter und Patrick Du Jardin, waren nach Testbiotech-Informationen ebenfalls jahrelang mit ILSI beziehungsweise einer anderen Lobbyorganisation, der Public Research and Regulation Initiative (PRRI), verbunden.
Testbiotech hatte im Fall Du Jardin im Sommer gemeldet, dass dieser seine Verbindungen zur PRRI nicht angegeben hatte. Nun hat die EFSA hier offensichtlich reagiert: im April dieses Jahres fand sich in den Angaben Du Jardins zu seinen „sonstigen Mitgliedschaften und Zugehörigkeiten“ lediglich ein Eintrag. Doch diese wurden auf der Website der Behörde ausgetauscht. Jetzt gibt es eine neue Version von Ende August. In dieser hat Du Jardin ergänzt, dass er von Januar 2010 bis Juli 2012 eine „bloße Mitgliedschaft“ bei PRRI innehatte, „um allgemeine Informationen zu internationalen Aktivitäten in den Pflanzen-Biotechnologie- und Biosicherheitssektoren zu erhalten.“
Die Risikoprüfung durch die EFSA dürfte in den Augen der Öffentlichkeit angesichts des jetzt veröffentlichten Bericht des Rechnungshofes nicht glaubwürdiger werden. Auch in der Beurteilung der viel beachteten und kontrovers diskutierten Studie von französischen Wissenschaftlern zu den gesundheitlichen Auswirkungen von Gentech-Mais spielten Interessenkonflikte eine Rolle. So kritisierte die EU-Abgeordnete Corinne Lepage, dass einer der EFSA-Experten sowohl an der Zulassung des Monsanto-Maises NK603 im Jahre 2003 beteiligt war, als auch an dem negativen Urteil der Behörde zu der Studie, die NK603 mit erhöhten Krebsraten in Verbindung brachte.