Wissenschaftler haben in chinesischen Flüssen Bakterien gefunden, die Erbmaterial aus gentechnisch veränderten Pflanzen oder anderen Organismen aufweisen. Am stärksten betroffen sind der Perlfluss und der Hai He, an deren Ufern Millionen von Menschen leben. Nur „die Spitze des Eisbergs“ meint der Mikrobiologe Ignacio Chapela von der Universität Berkeley. Man müsse davon ausgehen, dass noch weitaus mehr transgene DNA in die Umwelt gelangt sei – mit unbekannten Folgen – schreibt er in einem Kommentar für GM Watch.
Für ihre Untersuchung nahmen die Experten der Universität Sichuan und des Umweltministeriums Wasserproben aus sechs Flüssen, jeweils stromabwärts von größeren Städten. Die darin enthaltenen Plasmide, also DNA-Moleküle von Bakterien, setzten sie im Labor anderen Bakterien ein und analysierten sie mit einer eigens entwickelten Methode. Viele der Mikroorganismen haben eine Widerstandsfähigkeit gegen Antibiotika entwickelt, ein länger bekanntes Problem des Medikamenteneinsatzes in der Landwirtschaft. Zur Überraschung der Wissenschaftler hat über ein Viertel der Bakterien die Resistenz allerdings aufgrund künstlicher Gene. Diese könnten aus Gentechnik-Laboren, aber auch von Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen stammen. In China wuchsen 2011 auf mehreren Millionen Hektar solche Gentechnik-Pflanzen, vor allem Baumwolle, aber auch Pappeln und Papaya.
Die Studie, die im Dezember im Fachmagazin Environmental Science & Technology erschien, zeige erstmals, dass Gentechnik-Konstrukte in die Umwelt gelangen, sagte der Biochemiker Justin Donato von der US-Universität St. Thomas. Er äußerte sich gegenüber Chemical & Engineering News überrascht, wie häufig die Bakterien mit transgener DNA in den untersuchten Flüssen auftauchen. Vielen gentechnisch veränderten Pflanzen werden Antibiotika-Resistenzgene eingebaut. Sie haben als Marker die Funktion, den erfolgreichen Gen-Transfer anzuzeigen. Doch wenn sich diese Eigenschaft weiter verbreitet, könnten Medikamente für die Behandlung von Mensch und Tier unwirksam werden.
Um der Gefahr einer zunehmenden Antibiotika-Resistenz entgegen zu wirken, werden seit einiger Zeit andere Marker entwickelt. In den bislang weltweit angebauten Gentech-Pflanzen sind ihre Vorgänger aber noch verbreitet. In der EU müssen Antibiotika-Resistenzgene seit mehreren Jahren ersetzt werden. Pflanzen, die das Gen tragen, können aber trotzdem weiter zugelassen werden, wenn kein Risiko festgestellt wird, schreibt das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) auf eine Anfrage des Infodiensts. Für diese Risikobewertung ist die umstrittene Europäische Lebensmittelbehörde EFSA zuständig. Sie hält den Gentransfer von Gentechnik-Pflanzen auf Bakterien für „unwahrscheinlich“, spricht aber auch von „Unsicherheiten“ in dieser Frage. Unter anderem enthält die für den Anbau zugelassene Gentech-Kartoffel „Amflora“ ein Antibiotika-Resistenzgen. [dh]