Die Hersteller von gentechnisch verändertem Saatgut und Pestiziden drängen auf die afrikanischen Märkte. Während und parallel zur Internationalen Grünen Woche diskutierten ihre Vertreter mit Politikern und Beamten über Ernährungssicherheit in Entwicklungsländern, die nur mit Milliarden-Investitionen in die industrielle Landwirtschaft zu erreichen sei. Der afrikanische Kontinent scheint dabei besonders lukrativ.
„Es gibt große Landstriche in ganz Afrika mit gutem Boden und vorteilhaftem Klima, die sich exzellent für Landwirtschaft eignen, aber nicht genutzt werden“, beschrieb Martin Richenhagen, der Geschäftsführer des Agrarmaschinen-Herstellers AGCO die Möglichkeiten für Investoren. AGCO gehört mit Traktor-Marken wie Challenger und Fendt zu den Großen der Branche. Gemeinsam mit dem Gentechnik- und Pestizid-Hersteller Bayer CropScience und Finanzdienstleistern richtete das Unternehmen gestern den zweiten „AGCO Africa Summit“ im Berliner Edelhotel Adlon Kempinski aus.
Mit dabei waren neben Spitzenpolitikern afrikanischer Staaten wie Burkina Faso, Ruanda und Kamerun und dem ehemaligen Bundespräsidenten Horst Köhler, auch die parlamentarischen Staatssekretäre des Entwicklungsministeriums, Gudrun Kopp (FDP), und des Agrarministeriums, Gerd Müller (CSU). Der Afrika-Manager von Bayer CropScience, Christian Asboth, beteiligte sich an einer Podiumsdiskussion mit dem Titel „Making Business Work and Fit for Africa“. Die Einführungsrede wurde von Stephen Hayes vom Corporate Council on Africa (CCA) gehalten, einer US-Organisation, zu deren Mitgliedern unter anderem der Gentechnik-Hersteller Pioneer Hi-Bred sowie der Lebensmittelkonzern Coca-Cola und das Handelshaus Wal-Mart gehören.
Dass es bei solchen Spitzenevents nur um eine „bessere Ernährungssicherheit“ geht, die AGCO-Chef Richenhagen in Aussicht stellt, glauben kritische Beobachter nicht. An einer ähnlichen Veranstaltung, dem Global Forum for Food and Agriculture (GFFA), an der im Rahmen der Grünen Woche auch Landwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) teilnahm, kritisierte die Menschenrechtsorganisation FoodFirst Informations- und Aktionsnetzwerk (FIAN) beispielsweise, dass keine Vertreter von Kleinbauernorganisationen beteiligt seien. Dabei seien diese die Betroffenen der Investitionsoffensive. Sie gerieten in Abhängigkeit von Saatgut- und Chemieherstellern und verlören ihr Land, so FIAN-Referentin Gertrud Falk. „Viel dringender als Investitionen brauchen Kleinbäuerinnen und Kleinbauern daher Rechte, die sie gegen die rücksichtslosen Interessen von Agrarkonzernen schützen.“
Ähnlich sehen es auch das kirchliche Hilfswerk Misereor und das Forum Umwelt und Entwicklung. Sie präsentierten letzte Woche eine Studie, die der Privatwirtschaft keine guten Noten in puncto Ernährungssicherung ausstellt. „Die Agrar- und Ernährungsindustrie stellt sich zunehmend als wichtigster Akteur im Kampf gegen den Hunger in der Welt dar“, erklärte Benjamin Luig von Misereor. „Es ist beunruhigend, wenn auch die deutsche Bundesregierung Agrobusiness mit Hungerbekämpfung gleichsetzt und die Agrar- und Lebensmittelkonzerne in diesem 'Geschäft' unterstützt.“
Nach der offiziellen Politikerrunde auf der Grünen Woche organisierte der Verein GFFA, der von der Ernährungsindustrie gegründet wurde, noch ein „Internationales Wirtschaftspodium“ in den Berliner Räumlichkeiten der Deutschen Telekom. Vortragen durften dort neben dem Chef der Deutschen Welthungerhilfe Spitzenmanager des Agrochemie-Riesen Bayer CropScience sowie der Lebensmittel-Multis Nestlé Deutschland und Unilever. Eine Eröffnungsrede hielt der Agrarökonom Martin Qaim von der Universität Göttingen. Er hatte im letzten Sommer mit einer Studie für Aufsehen gesorgt, wonach der Einsatz von Gentechnik-Baumwolle in Indien höhere Erträge bringe. Indische Bauernorganisationen kritisierten die Untersuchung, weil sie mit veralteten Daten gearbeitet und zu wenige Landwirte befragt habe. Nach Ansicht indischer NGOs hat die gentechnisch veränderte Baumwolle viele Bauern in eine ruinöse Abhängigkeit von Großunternehmen getrieben.
Eine Anfrage des Infodiensts beim GFFA, welche Rolle die Agro-Gentechnik bei künftigen Investitionen spiele und wie man Kleinbauern auf Augenhöhe einbinden wolle, blieb bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Auch welche Vertreter von Behörden beim Wirtschaftspodium des Vereins anwesend waren, konnte man nicht sagen. Beim anschließenden Abendempfang habe Agrarministerin Aigner allerdings eine kurze Ansprache gehalten. [dh]