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Saatgut: Schreibt eine Lobbyistin an neuer EU-Verordnung?

Nächste Woche soll die Europäische Kommission über eine schärfere Regulierung von Saatgut abstimmen. Über die Folgen der neuen Verordnung für kleine Züchter, Landwirte und Gärtner wurde viel diskutiert und spekuliert. Zwar versuchte die EU zuletzt zu beruhigen: die Regeln würden nur für „Professionelle“ gelten, im Hausgarten dürfe jeder weiter seine alten Gemüsesorten hegen. Doch die dominante Rolle der Agrar-Industrie würde dennoch gefestigt. Ein Grund dafür könnte sein, dass eine Interessenvertreterin der Privatwirtschaft direkt am Entwurf mitschreibt.

Als Mitarbeiterin der Abteilung für Pflanzenvermehrungsmaterial – also Saatgut – bei der Generaldirektion Gesundheit und Verbraucher der Kommission ist die Französin Isabelle Clément-Nissou direkt daran beteiligt, die neuen Vorschriften zu erarbeiten. Entsandt wurde sie von der französischen Regierung. Kritikern zufolge ist sie jedoch keine Beamtin in Staatsdiensten, sondern war vor dem Umzug nach Brüssel bei einer Interessenvereinigung der französischen Saatgut- und Agrarindustrie tätig, dem Groupement National Interprofessionnel des Semences (GNIS). Dieser Verband sei „eine privat finanzierte Lobbygruppe“, beschweren sich kritische Organisationen in Briefen an den zuständigen EU-Kommissar Tonio Borg. Clément-Nissou dürfe deshalb nicht weiter bei der Behörde beschäftigt werden, fordern Corporate Europe Observatory und die Aktivisten-Blogger von Bifurcated Carrots aus den Niederlanden.

GNIS hat in Frankreich einige hoheitliche Aufgaben zugesprochen bekommen. Gleichzeitig tritt der Verband jedoch für die Interessen seiner Mitglieder ein, verschiedener Landwirtschaftsverbände, von deren Beiträgen er lebt. Der Präsident der Organisation, Daniel Segonds, ist selbst Vorstandsvorsitzender des Saatgutherstellers RAGT. Das französische Unternehmen gehört nach eigenen Angaben zu den führenden Großzüchtern in Europa. Zuletzt verzeichnete RAGT Umsätze von über 340 Millionen Euro. Vor zwei Jahren gingen die Franzosen außerdem eine Kooperation mit dem deutschen Agrar- und Gentechnikkonzern Bayer Cropscience ein. Die beiden Unternehmen gewähren sich gegenseitig Zugang zu Zuchtmaterial. Der gentechnischen Veränderung von Pflanzen steht GNIS- und RAGT-Chef Segonds offen gegenüber. Auf einer Diskussionsveranstaltung beklagte er 2011 die unsichere Rechtslage für Gentechnik-Produkte. Dabei würden bereits große Mengen transgener Soja als Futtermittel importiert, der Einsatz von Gentech-Mais könne der heimischen Landwirtschaft höhere Gewinne bescheren.

Innerhalb der EU-Kommission dürfte die ehemalige GNIS-Mitarbeiterin Clément-Nissou wohl kaum die Flagge kleiner Züchter und Landwirte hochhalten. Corporate Europe Observatory fordert daher von Verbraucherkommissar Borg, er müsse sicherstellen, dass die Interessenkonflikte in seiner Behörde aufhören. „Die Tatsache, dass Frankreich seine Saatgutpolitik größtenteils der Industrie überlässt, ist problematisch, aber diese Situation darf nicht dazu führen, dass die Erarbeitung von EU-Gesetzen negativ beeinflusst wird“, schrieb die Organisation letzte Woche in einem offenen Brief. [dh]

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