Ein Viertel des Saatgutmarkts, Branchenprimus bei Gentechnik, Milliardengewinne – alles aus eigener Kraft? Wohl kaum. Der Agrar-Konzern Monsanto kann sich auf offizielle Schützenhilfe verlassen. Das Außenministerium der Vereinigten Staaten unterstützte das Unternehmen – und seine US-Konkurrenten DuPont und Dow – in den letzten Jahren systematisch, wie von Wikileaks enthüllte Diplomatendepeschen zeigen. Diese wurden von der Organisation Food and Water Watch jetzt umfassend ausgewertet.
Dass die US-Regierungen ihre heimischen Konzerne großzügig fördern, ist nichts Neues. Vereinzelt war auch schon über die Einflussnahme zugunsten der Gentech-Industrie berichtet worden, nachdem die Enthüllungsplattform Wikileaks im Jahr 2010 über 250.000 Diplomaten-Mitteilungen veröffentlicht hatte. Wie weit die Hilfen für die Branche aber gehen, zeigt jetzt erstmals ein gestern vorgestellter Bericht von Food and Water Watch. Die Organisation hat über 900 Depeschen von US-Diplomaten in 113 Ländern unter die Lupe genommen. Sie stammen aus den Jahren 2005 bis 2009. Damals war Condoleezza Rice die zuständige Ministerin der Bush-Administration. Auch unter Präsident Obama hat sich die Praxis nach Einschätzung von Food and Water Watch allerdings kaum geändert.
Jedes Jahr verschickte das Außenministerium konkrete Anweisungen an seine Botschaften. Diese sollten in den jeweiligen Ländern eine „aktive Biotech-Agenda“ verfolgen. Insbesondere Wissenschaftler und Journalisten sollten so erreicht werden. Die Botschaften richteten Werbe-Veranstaltungen aus oder luden eigens ausgewählte Medienvertreter zu Pressegesprächen über Biotechnologie ein. In Hong-Kong schickte das Konsulat sogar DVDs mit pro-Gentechnik-Videos an alle High Schools. Ausländische „Meinungsmacher“ wurden identifiziert und in die USA eingeladen, damit sie sich vor Ort ein Bild von den vermeintlichen Segnungen des Gentech-Landwirtschaft machen konnten.
Die Diplomaten sollten Monsanto und Co aber auch direkt den Weg in fremde Märkte ebnen, rechtliche Hürden beiseite räumen. „Vor allem in Entwicklungsländern“ beackerten die US-Offiziellen nationale Regierungsbeamte. Diese sollten Importbeschränkungen für transgene Pflanzen aufheben und gentechnik-freundliche Gesetze erarbeiten. Dabei bedienten sich die Diplomaten denselben Argumenten wie die Agrar-Industrie selbst: ein Viertel der Depeschen erwähnte die vermeintlichen wirtschaftlichen Vorteile der Biotech-Pflanzen wie angeblich höhere Erträge. Positive Umweltauswirkungen wurden in einem Drittel der Mitteilungen betont – entgegen den Ergebnissen verschiedener Studien wurde beispielsweise geringerer Pestizidverbrauch als Verkaufsschlager ins Feld geführt.
Doch nicht nur in Kenia oder Nigeria legten sich die offiziellen Lobbyisten für die Risikotechnologie ins Zeug. In München „versprach“ das US-Konsulat dem Gentech-Konzern Monsanto, sich bei den bayerischen Beamten für eine „unparteiische“ Behandlung seiner Produkte einzusetzen. Und in Spanien fragten die Botschaftsmitarbeiter 2009 nach hochrangiger Hilfe aus ihrem Außenministerium, um den Widerstand gegen die gentechnisch veränderten Pflanzen zu entkräften – aufgrund der „dringenden Bitten“ Monsantos. Spanien ist das einzige EU-Land, in dem transgener Mais in nennenswertem Umfang angebaut wird.
Die bevorstehenden Verhandlungen zwischen EU und USA über ein Freihandelsabkommen könnten durch die Enthüllungen verkompliziert werden. Der Agrar-Sektor ist schon jetzt das heiße Eisen: Washington will freien Zugang für die Produkte seiner Gentech-Unternehmen, Frankreich und andere EU-Staaten wollen ihre hochsubventionierte Landwirtschaft schützen. Die Geschäftsführerin von Food and Water Watch, Wenonah Hauter, warnt: „Die US-Regierung verhandelt hinter verschlossenen Türen über wichtige Handelsabkommen mit Europa und anderen Ländern im pazifischen Raum, die skeptische und unwillige Länder zwingen würden, Biotech-Importe zu akzeptieren, Biotech-Pflanzen zu vermarkten und Kennzeichnungen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln zu verhindern. Dieser Irrsinn muss aufhören. Die US-Regierung sollte kein Helfershelfer der größten Biotech-Saatgut-Konzerne sein.“ [dh]