Einige dutzend Menschen blockierten heute Mittag die Zufahrt des Hafens im niedersächsischen Brake. In der Wesermarsch werden große Mengen Soja umgeschlagen. Sie landen in den Futtertrögen hiesiger Mastanlagen – angebaut werden sie überwiegend auf den Gentechnik-Plantagen Brasiliens und Argentiniens. Auf die negativen Folgen für Tiere, Umwelt und Bauern wollten die Blockierer mit ihrer Aktion aufmerksam machen.
„In Europa sind die massenweise importierten Soja-Futtermittel der Schmierstoff für die industrielle Massentierhaltung, die die bäuerlichen Strukturen hier und weltweit vernichtet“, so Annemarie Volling, Sprecherin im Bündnis für gentechnikfreie Landwirtschaft Niedersachsen, Bremen, Hamburg. Sie brachte die Position von alternativen Bauernverbänden, Verbraucherkooperativen und Agrar-Studenten aus Witzenhausen und Eberswalde auf den Punkt: „Dieser Wahnsinn muss gestoppt werden!“
Welche Auswirkungen der Anbau von gentechnisch verändertem Soja auf riesigen Feldern hat, veranschaulichte Paulo Alfredo Schönardie. Der Brasilianer promoviert an der Universität Hamburg – in seinem Heimatland ist er ein Bauer ohne Acker. „Durch den Soja-Monokulturanbau werden wertvolle ökologische Gebiete wie Regenwälder oder Savannen zerstört. Kleinbauern werden vertrieben. Junge Bauern wie ich kommen nicht an Land“, so Schönardie. „Heute besitzt 1% der Großbauern 46% der privaten Landflächen in Brasilien. Mit Ernährungssouveränität hat das nichts zu tun!“
Für Verbraucher hierzulande ist aber nicht auf den ersten Blick ersichtlich, ob Gentechnik-Soja aus Südamerika verfüttert wurde, um die Milch oder Eier im Supermarktregal herzustellen. Deshalb brauche es Gesetzesänderungen, so dass auch solche tierischen Erzeugnisse gekennzeichnet werden müssen, so wie es bei anderen Lebensmitteln bereits der Fall ist, forderten die Blockierer von Brake. Gleichzeitig müssten regionale Futtermittel zum Einsatz kommen. „Züchtung, Anbau und Fütterung von einheimischen Leguminosen – also Ackerbohnen, Erbsen, Lupinen, Klee, Luzerne etc. – müssen energisch vorangetrieben werden“, sagte der Agrarwissenschaftler Christian Schüler von der Uni Kassel. Das schone Klima und Ressourcen.
Die Studentin Sinay Gandenberger freute sich, dass „der kleine Aufstand heute Mittag wenigstens zeitweilig eine globale Maschinerie zum Stillstand gebracht hat.“ Eine zukunftsfähige Landwirtschaft könne nicht auf Soja aus Südamerika und industrielle Massentierhaltung in Niedersachsen setzen. Deswegen wird Gandenberger Ende August auch nach Wietze im Landkreis Celle fahren. Dort werden Tausende Menschen erwartet, die einen Megaschlachthof der Firma Celler Land Frischgeflügel umzingeln wollen. In der Anlage, die derzeit noch nicht auf vollen Touren läuft, sollen künftig bis zu 400.000 Hühner pro Tag geschlachtet werden. [dh]
+++UPDATE+++ Das statistische Bundesamt hat berechnet, dass die Fläche, die Deutschland im Ausland für den Anbau von Futtermitteln in Anspruch nimmt, seit 2000 um 43 Prozent gestiegen ist.