Ob Saatgut, Pestizide, Tiermedikamente oder Futtermittel – die Agrarmärkte werden von einer Handvoll Konzernen dominiert. Und während die Oligopole gefestigt werden, wird es immer schwieriger, Licht ins Dickicht zu bringen. Dass Wirtschaftswissenschaftler annehmen, ein Markt sei nicht gesund, wenn mehr als die Hälfte von vier Unternehmen kontrolliert wird, müsste im Landwirtschaftsbereich alle Alarmglocken läuten lassen.
Die vier Unternehmen/50 Prozent-Linie für freie Märkte wird laut der zivilgesellschaftlichen Organisation ETC aus Kanada in vielen Agrarbereichen überschritten: „Vier Firmen kontrollieren 58,2 Prozent des Saatguts; 61,9 Prozent der Agrochemikalien; 24,3 Prozent der Düngemittel; 53,4 Prozent der Tierpharmazeutika; und in der Tierzucht 97 Prozent der Geflügel- und zwei Drittel der Schweine- und Rinderforschung.“ Zwar habe die ETC für ihren im September veröffentlichten Bericht auf Zahlen aus 2011 zurückgreifen müssen, weil der Datenzugang schwieriger geworden sei. Die Konzentration sei aber wohl noch weiter voran geschritten, so die Kanadier.
Beim Saatgut beherrschen sogar nur drei Unternehmen über die Hälfte des kommerziellen Markts: Monsanto und Dupont aus den USA sowie Syngenta aus der Schweiz. Alleine Monsanto hat mit gentechnisch veränderten und konventionellen Pflanzen einen Anteil von 26 Prozent. Solche Oligopole sind nur durch den Aufkauf von kleineren Firmen möglich. Laut ETC sichern sich die Konzerne aus den USA und Europa in jüngster Zeit vor allem in Entwicklungsländern Einfluss – im Norden gebe es schlichtweg nicht mehr viele Saatguthersteller, die noch aufgekauft werden könnten. So wolle Syngenta in Afrika 500 Millionen US-Dollar investieren, um Märkte zu erobern. Der deutsche Saatgutkonzern KWS (konventionell und Gentechnik) verleibte sich hingegen Maiszüchter aus Brasilien ein.
Ein ähnliches Bild ergibt sich auf dem Pestizidmarkt. Diesen führte 2011 Syngenta mit Umsätzen von 10 Milliarden Dollar und einem Anteil von 23 Prozent an. Es folgten Bayer und BASF mit 17 und 12 Prozent. Wie Syngenta entwickeln beide deutsche Konzerne auch gentechnisch verändertes Saatgut, das zu den Spritzmitteln passt. Monsanto landete mit sieben Prozent auf Rang fünf. Allerdings stammt der weltweit meistverkaufte Wirkstoff für Herbizide, Glyphosat, vom Unternehmen aus Missouri. Nach Einschätzung der ETC arbeiten die Agrochemie-Hersteller zunehmend daran, auch „biologische“ Schädlingsbekämpfung mit Käfern oder Mikroorganismen anbieten zu können. Außerdem tüftelt Monsanto beispielsweise an neuen Gentechnik-Methoden, mit denen die Zellaktivitäten von Schädlingen gestört werden können – und kaufte zu diesem Zweck die israelische Firma Beeologics.
Mit dem Saatgut und den Pestiziden der wenigen Konzerne produzieren Landwirte aus Nord- und Südamerika vor allem Soja und Mais. Aufgekauft werden ihre Rohstoffe von ebenso wenigen Händlern: alleine Cargill, Archer Daniels Midland, Bunge und Louis Dreyfus kontrollierten 75 Prozent des Markts, wie die Schweizer Organisationen „Erklärung von Bern“ (EvB) und Econexus in ihrem ebenfalls im September veröffentlichten Bericht schreiben. Auch ihre Zahlen sind schon etwas älter, große Änderungen wird es aber kaum gegeben haben. In manchen Regionen sei nur ein einziger Händler aktiv, der die Preise dementsprechend drücken könne. Zudem gibt es laut dem Bericht Kooperationen zwischen Handels- und Agrochemie-Konzernen, beispielsweise zwischen Cargill und Monsanto oder Bunge und Dupont. So nehme die Kontrolle über die ganze Lieferkette zu.
Und auch bei den verarbeiteten Lebensmitteln halten Konzerne große Marktanteile – wenn auch nicht ganz so erdrückende wie beim Saatgut. Mit sieben Prozent ist hier Nestlé der Vorreiter, sein Umsatz lag 2012 bei 75 Milliarden Euro. Dementsprechend groß ist der Bedarf an Nachschub: Laut EvB und Econexus hat der Multi aus der Schweiz um die 600.000 Landwirte aus 80 Ländern unter Vertrag. Nicht weiter erwähnenswert erscheint angesichts solcher Dimensionen die Million Dollar, die Nestlé im US-Bundesstaat Washington in eine Medienkampagne investiert hat: nächste Woche stimmen die Bürger dort über eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Gentechnik-Zutaten in Lebensmitteln ab – Nestlé ist, wie auch Pepsico, Coca-Cola oder Kraft, gegen die Kennzeichnung. In ihren Produkten verwenden die Unternehmen in den USA Mais und Soja von gentechnisch veränderten Pflanzen. [dh]