Es ist ein bisher einmaliger Vorgang: die EU-Lebensmittelbehörde EFSA hat ihre Bewertung einer gentechnisch veränderten Maissorte zurückgezogen. Noch im März hatten ihre Experten behauptet, der transgene Mais 59122 der US-Agrochemiekonzerne Dow und Dupont sei genauso sicher wie konventionelle Pflanzen. Doch nun gebe es „neue wissenschaftliche Informationen“, teilte die Behörde am Donnerstag auf ihrer Website mit. Die Annahme, Schmetterlinge und Bienen würden durch den Mais nicht geschädigt, könne daher nicht so stehen gelassen werden. Sie empfiehlt nun, weitere Studien durchzuführen. Kritische Beobachter hatten schon vorher vor den Risiken von „Herculex“, wie der Mais auch heißt, gewarnt und gravierende Mängel in der Risikobewertung festgestellt.
Der Gentechnik-Mais 59122 darf bereits seit 2007 in die EU importiert und als Futter- und Lebensmittel verwendet werden. Die Genehmigung gilt jedoch nicht für den Anbau in der Union. Eine entsprechende Zulassung hatten die US-Biotechnologiefirmen Pioneer (Dupont) und Mycogen Seeds (Dow) aber auch beantragt. Im März gab die EFSA, die für die Risikobewertung nicht nur bei Gentechnik zuständig ist, ihre Empfehlung ab: Herculex sei sicher und könne aus ihrer Sicht zum Anbau zugelassen werden. Nun hat sie diese Stellungnahme korrigiert. Es gebe eine „Lücke“ in den wissenschaftlichen Daten: offenbar kann die Behörde daher nicht mehr ausschließen, dass Bestäuber wie Honigbienen durch das Gift, das die Gentechnik-Pflanze absondert, geschädigt werden. Herculex setzt einerseits mehrere Insektizide frei, andererseits ist der Mais resistent gegen das chemische Unkrautvernichtungsmittel Glufosinat.
Es sei das erste Mal, dass die umstrittene EU-Behörde eine ihrer Bewertungen einer transgenen Pflanze zurückzieht, schrieb das kritische Testbiotech-Institut heute in einem Newsletter. Testbiotech hatte schon im April auf zahlreiche Missstände in dem EFSA-Papier zu Herculex hingewiesen. Nicht nur, dass viele Daten von der Industrie selbst und ihrer Lobby-Organisation, dem International Life Sciences Institute, stammten. Auch seien Schwankungen in den Giftmengen, die die Pflanze produziert, nicht berücksichtigt worden. Dies könne jedoch Auswirkungen auf nützliche Insekten haben. Zudem verwies Testbiotech darauf, dass gängige Standards bei den Fütterungsstudien nicht eingehalten worden seien. Auch deutsche Behörden hatten sich kritisch geäußert: so seien die Effekte der Pflanzengifte teils nicht statistisch ausgewertet und nur kurze Untersuchungen durchgeführt worden.
Die EFSA steht immer wieder in der Kritik, weil viele ihrer Experten enge Kontakte zur Industrie haben. Bei den 19 Mitgliedern des Gentechnik-Gremiums liegen bei mindestens 11 Hinweise auf Interessenkonflikte vor, wie aus einem im Oktober veröffentlichten Bericht von Corporate Europe Observatory hervorging. [dh]