Weil es angeblich zu wenig gentechnikfreies Soja gibt, sind große deutsche Geflügelfleisch- und Eierproduzenten nach vielen Jahren aus der gentechnikfreien Fütterung ausgestiegen. Brasilianische Sojafarmer reagieren darauf mit Verwunderung. Es gebe dieses Jahr mehr konventionelle Sojabohnen als je zuvor.
„Gentechnikfreies Soja aus Brasilien ist für die europäische Futtermittelindustrie in ausreichender Menge und Qualität verfügbar“, heißt es in einer Pressemitteilung des brasilianischen Verbands ABRANGE, der Produzenten und Lieferanten gentechnikfreier Rohstoffe vertritt. Die deutsche Geflügelwirtschaft hätten eine „Fehlinformation“ verbreitet, als sie letzte Woche unter Verweis auf eine unsichere Versorgung mit nicht-genmodifiziertem Soja einen Kurswechsel hin zur Gentech-Fütterung ankündigte. „Die brasilianischen Landwirte produzieren im Vergleich zur Vorsaison 10 Prozent mehr konventionelle Soja“, sagte ABRANGE-Geschäftsführer Ricardo Tatesuzi de Sousa. „Für den größten sojaproduzierenden Bundesstaat Mato Grosso liegen die Ernteprognosen sogar bei einer Steigerung von 50 Prozent.“
Durch bessere Transportmethoden könne man ab diesem Jahr außerdem auch schneller und unter geringerem Verunreinigungsrisiko nach Europa liefern. Dass die Geflügel- und Eierproduzenten hierzulande trotzdem wieder gentechnisch verändertes Soja verfüttern wollen, wie der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft (ZDG) letzte Woche mitteilte, können die Brasilianer deshalb nicht nachvollziehen. „Es ist Ironie, dass der ZDG den Ausstieg aus der gentechnikfreien Fütterung zu einer Zeit ankündigt, in der zahlreiche Bemühungen in der gentechnikfreien Sojaproduktion in Brasilien längst anfangen, Früchte zu tragen,” kritisierte auch Augusto Freire, Präsident der ProTerra Stiftung, die gentechnikfreie Rohstoffe zertifiziert – letztes Jahr allein über vier Millionen Tonnen Soja.
Dabei sei es nicht viel teurer, gentechnikfreie Produkte anzubieten. „Für nur 8 Cent Mehrkosten je Hühnchen könnten Wiesenhof und Co. dem Verbraucherwunsch nachkommen”, erläuterte Alexander Hissting, Sprecher des Verbands Lebensmittel ohne Gentechnik. „Wer heute sagt, eine gentechnikfreie Fütterung sei nicht möglich, will nicht, dass sie möglich ist.” Die PHW-Gruppe, die unter der Marke „Wiesenhof“ Geflügelfleisch verkauft, Konkurrent Rothkötter und einige Eierproduzenten des Bundesverbands Deutsches Ei (BDE) wollen künftig wieder gentechnisch veränderte Pflanzen an Hähnchen, Hennen und Puten verfüttern. [dh]