Der gentechnisch veränderte Mais 1507 kann in der EU jederzeit zum Anbau zugelassen werden. Und das, obwohl es kaum unabhängige Untersuchungen der Risiken gegeben hat, kritisiert ein neuer Bericht des Vereins Testbiotech. Die verfügbaren Daten zum Gift, das der Mais produziert, stammen größtenteils von Forschern, die eng mit der Industrie verbunden sind, bilanziert Testbiotech nach einer umfassenden Literaturrecherche.
92 Studien zum gentechnisch veränderten Mais 1507 bzw. dem Gift Cry1F, das er absondert, konnten die Testbiotech-Experten aus München in den Datenbanken wissenschaftlicher Magazine finden. Drei Viertel davon stammen von Industrie-Mitarbeitern oder Wissenschaftlern, die starke Verbindungen zu den Herstellern der Gentech-Pflanzen haben, lautet das Ergebnis der Recherche. Weitere sechs Veröffentlichungen wurden von der Industrie unterstützt. Nur 15 konnten nicht direkt mit den Agrarkonzernen in Verbindung gebracht werden – das sind nur 16 Prozent.
Immer wieder stießen die Kritiker auf die Namen einiger weniger Wissenschaftler, die an besonders vielen Studien zum Mais 1507 beteiligt waren. Spitzenreiter mit 15 Veröffentlichungen ist Blair Siegfried. Er ist Professor für Insektenkunde an der Universität Nebraska und untersucht beispielsweise, wie das Gift der Gentechnik-Pflanzen auf nützliche Schmetterlinge wirkt, die eigentlich nicht geschädigt werden sollen. Das Problem: Siegfried ist gleichzeitig Mitglied eines Beratungsgremiums des Gentechnik-Marktführers Monsanto. Außerdem war er laut Testbiotech auch für die Lobbyorganisation International Life Sciences Institute (ILSI) tätig, die sich für eine laxere Risikobewertung in der EU einsetzt. Und nicht nur das: Siegfried ist auch als Erfinder in Patenten auf das Cry1F-Gift aufgeführt, die laut Testbiotech nun Dow hält – der Chemiekonzern, der Mais 1507 zusammen mit Dupont Pioneer entwickelte.
Auch Richard Hellmich von der Iowa State University hat an vielen Studien zum Mais 1507 oder seinem Gift mitgearbeitet. Und auch er gehört dem Monsanto-Beratungsgremium an, hat laut Testbiotech Forschungsmittel von Monsanto erhalten und an Veröffentlichungen der Lobbyorganisation ILSI mitgearbeitet. Testbiotech führt noch weitere solcher Fälle auf; ein Forscher war beispielsweise über 10 Jahre bei Dow angestellt. Insgesamt gebe es also starken Einfluss der Industrie auf die Risikoforschung und gleichzeitig große Wissenslücken bezüglich der Risiken von Mais 1507. Die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA) habe dieses Ungleichgewicht aber nicht weiter beachtet, als sie dem gentechnisch veränderten Mais grünes Licht gab.
Auch das Bundesamt für Naturschutz schrieb in einem internen Papier zum Mais 1507: „Derzeit kann Sicherheitsforschung – selbst bei zugelassenen GVO – nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Industrie stattfinden. In der Praxis ist damit eine unabhängige Sicherheitsforschung kaum möglich.“
Deshalb müsse die unabhängige Risikobewertung gestärkt werden, fordert Testbiotech - inklusive der entsprechenden finanziellen Mittel. Das gebiete das Vorsorgeprinzip, das den Gentechnik-Bewertungen in der EU eigentlich zugrunde liegt. Im Mai veranstaltet der Verein in Berlin eine öffentliche Tagung zu diesem Thema. María Elena Álvarez-Buylla von der Universidad Nacional Autónoma de México wird dort zur unkontrollierten Ausbreitung von Gentechnik-Pflanzen referieren, ein ehemaliger Mitarbeiter des Bundeslandwirtschaftsministeriums zum Einfluss der Konzerne auf das Zulassungsverfahren in der EU. [dh]