Morgen entscheiden die Vertreter der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel, wer künftig die Arbeit der Lebensmittelbehörde EFSA überwacht. Auf der Liste der Kandidaten stehen auch Industrie-Lobbyisten – sie gelten sogar als Favoriten. NGOs warnen vor noch mehr Einfluss der Privatwirtschaft auf diejenigen Stellen, die eigentlich die Interessen der Verbraucher und der Umwelt im Blick haben sollen.
Die EFSA (European Food Safety Authority) ist unter anderem für die Risikobewertung von gentechnisch veränderten Pflanzen und Tieren, Pestiziden und anderen Chemikalien zuständig. Nun wird ihr Verwaltungsrat teilweise neu besetzt. Sieben neue Mitglieder sollen ernannt werden, morgen beraten die Ständigen Vertreter der nationalen Regierungen in Brüssel über die Kandidaten. Vor sich haben sie eine Liste mit Namen, die von der EU-Kommission ins Spiel gebracht und vom Umweltausschuss des EU-Parlaments gefiltert wurden.
Gute Chancen hat beispielsweise die Deutsche Beate Kettlitz. Sie arbeitet seit 2005 bei der Lobbyorganisation Food Drink Europe als Direktorin der Abteilung für Lebensmittelgesetzgebung und Forschung. Der Verband vertritt die Interessen von Konzernen wie Coca-Cola, Pepsico und Nestlé – Unternehmen, die in den USA Millionen Dollar investiert haben, um eine Kennzeichnung von Gentechnik-Lebensmitteln zu verhindern. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung erklärte Kettlitz im Dezember, sie wolle ihre Stelle bei Food Drink Europe nicht aufgeben, wenn sie in den Verwaltungsrat der EFSA berufen werde.
Auch Jan Mousing aus Dänemark gilt laut einer Stellungnahme der Organisationen Testbiotech und Corporate Europe Observatory als Favorit. Er sitzt bereits jetzt im Verwaltungsrat der EFSA. Gleichzeitig ist er geschäftsführender Direktor des Danish Knowledge Centre for Agriculture, einer landwirtschaftlichen Beratungsfirma. „Professionelle Lobbyisten der Lebensmittelindustrie sollen Aufpasser bei der EU-Lebensmittelbehörde werden“, ärgert sich Christoph Then von Testbiotech über die Personalien. „So wird der Bock zum Gärtner gemacht. Damit tut man der Behörde keinen Gefallen, deren Ruf ohnehin schon ramponiert ist. Und man setzt mutwillig die Interessen von Umwelt und VerbraucherInnen aufs Spiel.“
Martin Pigeon von Corporate Europe Observatory (CEO) kritisiert, wie die Kandidaten ausgewählt wurden. „Es ist bedauerlich, dass eine Handvoll EU-Abgeordneter über eine so wichtige Frage in einer nicht-öffentlichen Sitzung in Namen des Europäischen Parlaments entscheiden darf. Gerade erst hat dasselbe Parlament mit großer Mehrheit erklärt, dass es gegen eine Schwächung der Unabhängigkeit der EFSA ist. Wir fordern die Regierungen der Mitgliedsländer der EU auf, die Unabhängigkeit der EFSA zu verteidigen und und eine Unterwanderung der Lebensmittelbehörde durch die Industrie zu verhindern.“ [dh]