Was ist „Synthetische Biologie“? Welche Chancen und Risiken birgt sie? Mit diesen Fragen beschäftigen sich nun auch die Mitgliedsstaaten der Biodiversitäts-Konvention der UN. Klar ist: es gibt noch viel Diskussionsbedarf - sowohl über die Definition des Begriffs, als auch über ökologische, wirtschaftliche und gesundheitliche Auswirkungen.
In der letzten Juniwoche tagt das technische Beratungsgremium der Biodiversitäts-Konvention (CBD), einem internationalen Abkommen zum Schutz der biologischen Vielfalt, dem bislang 194 Staaten beigetreten sind, in Montreal. Dann geht es auch um einen Bericht über die Synthetische Biologie, der gestern veröffentlicht wurde. Dieser zeigt, wie schwierig es ist, denn Begriff zu definieren.
Einer der Knackpunkte sei die Frage, in welchem Verhältnis „SynBio“ zu etablierten Biotechnologien, auch der Agro-Gentechnik, steht. An der unterschiedlichen Wahrnehmung seien auch die Forscher selbst schuld: sprächen sie in der Öffentlichkeit oder vor Kontrollbehörden, betonten sie häufig, sie hätten die bisherigen Techniken lediglich weiter entwickelt. Im Gespräch mit möglichen Geldgebern erscheine die Synthetische Biologie hingegen als etwas völlig Neues.
Jedenfalls werden SynBio-Techniken zunehmend kommerziell genutzt. Der Bericht erwähnt Biokraftstoffe, die von Mikroorganismen mit künstlicher DNA hergestellt werden, aber auch Zusatzstoffe für Lebensmittel oder für Kosmetika. Auch Nutzpflanzen für die Landwirtschaft sollen verändert werden – über die Methoden der Gentechnik hinaus, bei der bereits bekannte Gene aus einem Organismus in eine Pflanze eingebaut werden. Da auch DNA-Konstrukte verwendet werden, die am Computer entworfen wurden und in der Natur nicht vorkommen, sprechen manche Kritiker von „extremer Gentechnik“.
Kritik gibt es auch an dem CBD-Papier. Von verschiedener Seite waren zur Rohfassung Kommentare und Änderungsvorschläge eingereicht worden. So hielt die US-Regierung – die die Biodiversitäts-Konvention selbst noch nicht ratifiziert hat – die Risikoseite für überbewertet. Zu häufig seien kritische NGOs wie die ETC Group aus Kanada oder Friends of the Earth zitiert worden. Außerdem blieben viele SynBio-Organismen in Laboren und Produktionsanlagen, während es im CBD-Bericht so aussehe, als würden sie alle in die Umwelt entlassen.
Ähnlich äußerte sich auch die Biotechnology Industry Organization (BIO), ein Lobbyverband der Branche, dem auch Agrochemie-Konzerne wie Monsanto und Dow angehören. Sie fordern, bei der Risikobewertung nicht darauf zu schauen, welche Technik zum Einsatz kam. „Es stimmt, dass SMO [synthetisch veränderte Organismen, Red.] nach einer Freisetzung nicht zurückgeholt werden können, aber das können auch andere lebende Organismen nicht – unabhängig davon, mit welcher Technologie sie modifiziert wurden.“ Die Chancen der Synthetischen Biologie würden in dem Bericht nicht genug behandelt, so BIO.
Über die Kommentare der Industrie wird man sich bei der ETC Group aus Kanada kaum wundern. Sie weist in ihren Anmerkungen darauf hin, dass die Investitionen in die Synthetische Biologie vor allem aus der Privatwirtschaft kommen. Sie beliefen sich auf „viele Milliarden Dollar“, so die kanadische NGO.
Die EU-Kommission attestiert dem CBD-Papier zur Synthetischen Biologie insgesamt „gute Qualität“. Es zeige sich aber eine Tendenz, die SynBio-Produkte definieren zu wollen – was nicht Auftrag der Autoren gewesen sei. Der Bereich umfasse verschiedene Techniken, manche davon seien der Gentechnik zuzurechnen, andere nicht. Das gelte auch für die Resultate. Beides müsse man sich von Fall zu Fall vornehmen. Daran arbeitet auch die EU – eine Expertengruppe wurde damit beauftragt, bis Oktober eine wissenschaftliche Einschätzung der Synthetischen Biologie vorzulegen. [dh]