Wertschätzung

Finden Sie diese Nachricht hilfreich? Unterstützen Sie unsere Arbeit mit einer Spende.

Fast alle EU-Staaten stimmen für Opt-Out

Im Rat der Umweltminister der EU gab es heute eine breite Mehrheit für das sogenannte Opt-Out, das nationale Gentechnik-Anbauverbote leichter machen soll. Auch Deutschland stimmte für den Entwurf der Ratspräsidentschaft, Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) wies Kritik aus der Öffentlichkeit und von Umweltschutz- und Landwirtschaftsverbänden zurück. Nur Luxemburg und Belgien enthielten sich der Stimme, weil sie die anvisierten Verhandlungen mit den Gentech-Konzernen ablehnen.

26 der 28 EU-Mitgliedsstaaten stimmten für das Opt-Out, 336 von 352 Stimmen reichten locker für die nötige qualifizierte Mehrheit. Viele Umweltminister betonten, wie wichtig der Bevölkerung ihrer Länder die Gentechnikfreiheit sei. Deshalb, so ihre Begründung, unterstützten sie den Entwurf, der eine gute Grundlage für nationale Anbauverbote von gentechnisch veränderten Pflanzen biete.

Nur Belgien und Luxemburg sahen das anders. Belgien äußerte sich nicht weiter und enthielt sich der Stimme. Bei der letzten Debatte im März hatte die belgische Regierung kritisiert, dass der Vorschlag das Vertrauen der Menschen in die Gentechnik-Regulierung nicht wieder herstellen könne. Vor allem, dass die Antragssteller – Konzerne wie Monsanto, BASF und Bayer – vorher gefragt werden müssen, ob sie zu einer geografischen Einschränkung ihres Antrags bereit wären, lehnt Belgien ab.

Auch die luxemburgische Umweltministerin Carole Dieschbourg bekräftgte ihre Kritik: weiterhin sei die Beteiligung von Gentech-Unternehmen am Verfahren vorgesehen, das Kräfteverhältnis insbesondere von kleineren Staaten zu den milliardenschweren Konzernen sei so bedroht. Deshalb enthielt sich auch Luxemburg der Stimme.

Die deutsche Umweltministerin Hendricks widersprach dieser Kritik, die häufig auch von Umweltschutzverbänden und Opposition im Bundestag vorgetragen worden war. Manchmal werde der Eindruck erweckt, das Opt-Out schaffe keine rechtssichere Möglichkeit, den Anbau zu verbieten. Das stimme aber nicht, die Minister wüssten das. Auch gebe es keine Verhandlungen der Staaten mit den Unternehmen, denn schließlich sei ja die EU-Kommission als „Mittlerinstanz“ zwischengeschaltet.

Die Kritiker dürfte das kaum beschwichtigen. Vom Prinzip her ändert sich ihrer Sicht nach nichts daran, dass den Konzernen ungebührlich viel Einfluss gegeben wird – und die Möglichkeit zu Deals: geografische Einschränkung des Antrags im Gegenzug für schnellere Zulassung anderer Gentech-Pflanzen. In Strategiepapieren beklagt die Gentech-Lobby schon länger den „Zulassungsstau“ bei ihren Produkten. „Inakzeptabel“ ist die Einbindung der Unternehmen für Mute Schimpf von Friends of the Earth.

Auch ist fraglich, ob die Verbote vor Gericht Bestand hätten. „Die Rechtssicherheit für die jeweiligen Regierungen für ein Anbauverbot ist damit aber nicht gegeben“, kommentierte NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller den Entwurf. „Der Vorschlag würde Klagen der Gentechnik-Unternehmen provozieren und die nationalen Anbauverbote damit kippen.“

Nach der Zustimmung des Rats ist nun das EU-Parlament an der Reihe. Die frisch gewählten Abgeordneten müssen sich mit der Vorlage der Minister befassen – ohne ihre Zustimmung kann das Opt-Out nicht in Kraft treten. Ob es dabei noch zu inhaltlichen Änderungen kommen wird, bleibt abzuwarten. Italien kündigte an, die Arbeit der griechischen Ratspräsidentschaft, deren Nachfolge das Land antritt, fortzuführen. Der noch amtierende EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg aus Malta freute sich jedenfalls auf Dezember: dann gebe es hoffentlich „ein wunderbares Weihnachtsgeschenk“, nämlich eine endgültige Einigung. [dh]

+++UPDATE+++ „Schleichender Verlust der Gentechnikfreiheit“

Die Biobranche fordert Nachbesserungen am Opt-Out-Entwurf - und erinnert daran, dass der Gentech-Mais 1507 jederzeit zum Anbau zugelassen werden kann. „Die Bundesregierung muss nun den zu erwartenden Anbau des Gentech-Mais 1507 verhindern, indem sie die nationale Umsetzung der EU-Vorgaben vorbereitet“, so Jan Plagge, Vorstand des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. „Wir brauchen ein bundesweites Anbau-Verbot. Ein Flickenteppich von Regelungen auf Länderebene wäre nicht akzeptabel. Von Umweltministerin Hendricks und Agrarminister Schmidt erwarten wir, dass sie alles daran setzen, Verbotsgründe für Gentech-Pflanzen wissenschaftlich zu untermauern. Es wäre fatal, wenn die Mitgliedsstaaten für Anbauverbote auf das Wohlwollen der Konzerne angewiesen sind.“

Heike Moldenhauer vom Umweltverband BUND befürchtet: „Vielleicht acht oder neun von 28 Staaten werden nationale Anbauverbote erlassen, in den anderen Ländern können Gentech-Pflanzen wachsen. Damit droht der schleichende Verlust der Gentechnikfreiheit auf den Äckern in der Europäischen Union insgesamt.“

Die Grünen haben ebenfalls Bedenken ob der Rechtssicherheit nationaler Verbote. So „zweifeln Experten, darunter der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, an der Klagefestigkeit der neuen Ausstiegsgründe“, erklärte der Abgeordnete Harald Ebner. „Es ist erschreckend, dass Umweltministerin Barbara Hendricks dennoch den EU-Entwurf als 'klare, eindeutige rechtliche Regelung' bezeichnet und die begründete Kritik von Umwelt- und Ökoverbänden als 'falsche Wahrnehmung' abtut.“

Wir nehmen Datenschutz ernst!
Unsere Seiten nutzen in der Grundeinstellung nur technisch-notwendige Cookies. Inhalte Dritter (YouTube und Google Maps) binden wir erst nach Zustimmung ein.
Cookie-Einstellungen | Impressum & Datenschutz

OK