Ein halbes Jahr nachdem eine Fachzeitschrift eine von Industrie und Behörden heftig attackierte Studie zu den Risiken von gentechnisch verändertem Mais zurückgezogen hat, wurde sie nun erneut veröffentlicht. Das Journal „Environmental Sciences Europe“ des renommierten Wissenschaftsverlags Springer stellte die Untersuchung von Forschern der Universitäten Caen in Frankreich und Verona in Italien heute freizugänglich zur Verfügung. Die Forscher sind von ihrer Arbeit immer noch überzeugt: Sie liefere Hinweise, dass Gentech-Mais des Konzerns Monsanto bei Ratten Organschäden hervorrufe.
Zusätzlich zu der ursprünglich vor knapp zwei Jahren erstveröffentlichten Version geben die Wissenschaftler um Professor Gilles-Eric Séralini auch die Rohdaten ihrer Analyse heraus – im Gegensatz zur Gentech-Industrie, die ihre Daten unter Verschluss halte, obwohl darauf die Risikobewertung in der EU beruhe, betont die Informationsseite gmoseralini.org.
Die Nichtveröffentlichung der Rohdaten war ein Kritikpunkt an der Séralini-Studie, die nach hitzigen Debatten vom Fachjournal „Food and Chemical Toxicology“ zurückgezogen wurde. Danach wurde wiederum dem Verlag Elsevier vorgeworfen, gegen wissenschaftliche Grundsätze verstoßen zu haben und vor dem Agrochemiekonzern Monsanto eingeknickt zu sein. Das Fachblatt Environmental Sciences Europe verweist darauf, die jetzt erfolgte Wiederveröffentlichung der Studie diene der Debatte um wissenschaftliche Methoden und trage zur Transparenz bei. Zuvor musste erneut ein Peer-Review durchlaufen werden, das die Einhaltung wissenschaftlicher Standards prüft.
Séralini und seine Universitätskollegen betonen nun noch einmal: Anders als vielfach dargestellt, hätten sie nicht zu beweisen versucht, dass Gentechnik-Mais Krebs auslöse – auch wenn sie das Auftreten von Tumoren bei den Ratten, die mit dem Monsanto-Mais NK603 gefüttert worden waren, beobachtet hatten. Ihnen sei es um langfristige, toxikologische Auswirkungen gegangen: Und dabei hätten sie „sehr signifikante“ chronische Schäden an Leber und Nieren festgestellt. Anders als die Industrie fütterten die Wissenschaftler die Tiere nicht nur über 90 Tage sondern über zwei Jahre hinweg mit dem transgenen Mais.
Als die Studie 2012 zum ersten Mal erschien löste sie zahlreiche Medienberichte und eine erregte Diskussion über wissenschaftliche Standards aus. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA und das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung disqualifizierten die Untersuchung. Andere Forscher sprangen Séralini und seinen Kollegen bei – häufig wurde darauf verwiesen, dass alle Studien von Gentechnik-Unternehmen wie Monsanto gleich aufgebaut seien, aber nie so kritisch unter die Lupe genommen würden. Die EFSA bewertet die Risiken von gentechnisch veränderten Organismen vor allem anhand der Daten, die die Antragssteller bei ihnen einreichen. Gentech-Kritiker bemängelten deshalb „Doppelstandards“.
Die Autoren der Studie kommen angesichts ihrer Ergebnisse zu dem Schluss, es müssten weitere Langzeitstudien zu den Risiken von Gentechnik-Pflanzen sowie Pestiziden durchgeführt werden – und zwar anhand der Endprodukte, die auf den Markt gelangen. Der Mais NK603 ist resistent gegen das Spritzmittel „Roundup“ (Wirkstoff Glyphosat).
Die Wiederveröffentlichung der Studie kommt zu einem heiklen Zeitpunkt: Gestern wurde auf EU-Ebene über die Verlängerung der Zulassung von NK603 um weitere zehn Jahre abgestimmt. Es kam zu einem Patt. Deutschland enthielt sich der Stimme. Demnächst wird noch einmal in einem weiteren Ausschuss abgestimmt, danach kann die EU-Kommission den Gentech-Mais durchwinken. [dh]