In Hannover wird zwei Jahre lang getestet, welche Auswirkungen Monsantos Gentechnik-Mais auf Ratten hat. Damit soll auch herausgefunden werden, ob die derzeit gängigen 90-Tages-Studien ausreichen, um Gesundheitsgefahren aufzudecken – viele Wissenschaftler bezweifeln das. Sie halten zwei Jahre für nötig. Die EU finanziert das Forschungsprojekt mit drei Millionen Euro.
„Eines der vorrangigen Ziele ist, herauszufinden, inwieweit Langzeitfütterungsstudien geeignet sind, um die mögliche Toxizität von gentechnisch veränderten Pflanzen zu erkennen“, schreibt die Presseabteilung der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover (TiHo). Neben Wissenschaftlern des Instituts für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der TiHo würden Experten aus Spanien, England, Österreich, den Niederlanden und der Slowakei hinzugezogen.
Bislang werden im Zulassungsverfahren bei gentechnisch veränderten Pflanzen vor allem 90-Tages-Studien verlangt. Diese werden meist von den Gentech-Konzernen selbst durchgeführt. Aus Sicht vieler Experten reicht dieser kurze Zeitraum jedoch nicht aus, wie der Biochemiker Pablo Steinberg erklärt. Der TiHo-Professor leitet das Forschungsprojekt „GMP Two Year Safety Testing (G-TwYST)“. Er sagt: „Viele Toxikologen bezweifeln, dass eine Studie über 90 Tage ausreicht, um toxische Effekte in Fütterungsstudien mit ganzen Pflanzen zu beobachten, von einer möglichen krebserregenden Wirkung ganz zu schweigen.“
Für den Toxizitätstest sei ein Jahr nötig, für Aussagen zu Krebs zwei Jahre, heißt es in der Pressemitteilung der Hochschule. Die meisten Import- und Anbauzulassungen für gentechnisch veränderte Pflanzen, die in der EU vergeben wurden, beruhen auf – teils freiwilligen – Studien über lediglich drei Monate. Zudem gibt es immer wieder Kritik an Interessenkonflikten bei der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA. Auch haben unabhängige Wissenschaftler oft keinen Zugang zum patentierten Pflanzenmaterial der Konzerne.
Die TiHo-Wissenschaftler nehmen sich nun zwei Gentech-Pflanzen vor: den Mais NK603, der gegen das Herbizid Glyphosat resistent ist, und den Mais MON810, der ein Insektengift absondert. Beide stammen vom US-Unternehmen Monsanto. Bei NK603 führen die Forscher eine 90-Tages-Studie sowie eine kombinierte Ein- und Zwei-Jahres-Fütterungsstudie durch, heißt es. MON810 unterziehen sie nur „das mögliche krebserregende Potenzial in einer Zwei-Jahres-Studie“, da ein anderes EU-Forschungsprojekt (GRACE) hier schon an der 90-Tages-Studie arbeitet. Auch GRACE werden von Umwelt- und Verbraucherschützern „schwere konzeptionelle Mängel“ vorgeworfen.
MON810 ist zurzeit die einzige Gentechnik-Pflanze, die in der EU angebaut werden darf. Sie wächst überwiegend in Spanien. NK603 geriet in den Fokus, als der französische Biologe Gilles-Eric Séralini vor zwei Jahren eine Studie präsentierte, die auf schwere Organschäden bei Ratten hinwies. Industrie und EFSA kritisierten die Untersuchung scharf. Das Fachmagazin „Food and Chemical Toxicology“, das sie veröffentlicht hatte, zog sie zurück – und geriet deshalb seinerseits in die Kritik. Mittlerweile wurde die Studie in „Environmental Sciences Europe“ des renommierten Wissenschaftsverlags Springer wieder veröffentlicht. [dh]