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Juncker stellt Gentechnik-Minireform vor

Die EU-Kommission hat heute ein Anliegen ihres Präsidenten Jean-Claude Juncker abgesegnet: er will einzelnen Mitgliedstaaten die Möglichkeit geben, den Einsatz von gentechnisch veränderten Pflanzen in Lebensmitteln oder Tierfutter zu untersagen. Neue Genehmigungen sollen dadurch schneller erteilt werden – 17 Gentechnik-Pflanzen warten zurzeit auf eine Importzulassung. Doch nicht nur Gentech-Gegner sind mit den Plänen unzufrieden.

Eine Ausstiegsklausel für den Anbau von Gentechnik-Pflanzen gibt es bereits seit Anfang des Jahres. Nun soll das sogenannte Opt-Out auch bei Lebens- und Futtermitteln möglich sein. Ein Großteil der weltweit angebauten transgenen Mais-, Soja- und Rapspflanzen landet in den Ställen der konventionellen Viehhaltung – auch in Europa und Deutschland. Werden neue Importgenehmigungen erteilt, sollen die 28 EU-Mitgliedstaaten künftig eine nationale Ausnahme erwirken können. So zumindest Junckers Entwurf, der bereits vor der heutigen Verabschiedung geleakt worden war.

Konventionelle Agrarverbände sehen das kritisch. Sie befürchten Verluste und Versorgungssicherheit. Doch auch viele Gentechnik-Gegner sind nicht gerade begeistert. „Die Kommission will schlicht nicht mehr entscheiden müssen und im Fokus der öffentlichen Kritik stehen“, erklärten die Grünen-Politiker Martin Häusling (EU-Parlament) und Harald Ebner (Bundestag) vorab. Das sei eine „eine unverblümte Absage an jeden europapolitischen Anspruch.“

Sie glauben, dass die einzelstaatlichen Verbote vor Gericht keinen Bestand hätten. Zudem gebe es wirtschaftliche Auswirkungen. „Es liegt auf der Hand, dass insbesondere der Handel mit unkalkulierbaren finanziellen Risiken und Koexistenz-Kosten für gentechnikfreie und gentechnisch veränderte Ware belastet wäre“, schreiben die Grünen. „Aber auch Landwirte und Verbraucher würden draufzahlen, da diese Kosten erfahrungsgemäß immer an Erzeuger und Konsumenten weitergereicht werden.“

Zudem, so die von Umwelt- und Landwirtschaftsvertretern geteilte Kritik, sei dies nicht der große, demokratische Wurf, den Juncker vor seinem Amtsantritt im letzten Jahr versprochen habe. Er hatte angekündigt, in Abstimmungen über Gentechnik-Zulassungen den politischen Mehrheiten mehr Gewicht zu verleihen. Denn das für verbindliche Entscheidungen nötige Quorum wurde bislang fast immer verfehlt, worauf die Kommission den Konzernen die Genehmigung erteilte – auch wenn mehr Mitgliedstaaten dagegen gestimmt hatten als dafür. So geschehen auch beim insektengiftigen Pioneer-Mais 1507, der wohl bald in der EU angebaut werden darf.

Für 17 gentechnisch veränderte Pflanzen, deren Zulassung die Industrie beantragt hat, könnte die Entscheidung bald fallen. Dabei handelt es sich um vor allem um Mais- und Sojapflanzen, die in Nord- und Südamerika angebaut werden. Sie sind überwiegend gegen Herbizide wie Glyphosat resistent und/oder produzieren selbst ein oder mehrere Insektengifte.

EU-Experten hatten sie für sicher erklärt. Doch auch an deren Arbeit gibt es Kritik. Die „gentechnikfreundliche Risikobewertung der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA)“ werde durch Junckers Reform nicht verbessert, so Häusling und Ebner. Der Behörde mit Sitz in Parma wird vorgeworfen, ihre Gentechnik-Experten seien mit der Industrie verbandelt und klammerten kritische Forschungsergebnisse aus. „Statt sich immer absurdere Vorschläge für Flickenteppich-Lösungen auszudenken, müssen die politisch Verantwortlichen endlich an die Wurzel des Problems und die Mängel des unzureichenden EU-Zulassungsverfahren für Gentechnik-Pflanzen beheben und das EU-Parlament an den Entscheidungen beteiligen!“, fordert auch Peter Röhrig, der Geschäftsführer des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft.

Der Bio-Dachverband sieht nun die Bundesregierung in der Pflicht. „Es gibt in Europa eine klare Mehrheit gegen den Einsatz der Agro-Gentechnik, die politisch endlich berücksichtigt werden muss. Wir erwarten jetzt von Agrarminister Christian Schmidt, dass er sich im Sinne der Bürger und einer bereits vor längerem gefassten Entschließung des Bundesrates mit aller Kraft für eine Verbesserung des Gentechnik-Zulassungsverfahren einsetzt. Schmidt darf sich dabei nicht mit Vorschlägen für eine Renationalisierung abspeisen lassen.“

***UPDATE 14:50 Uhr*** Auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft lehnt den Brüsseler Vorschlag ab. Er zementiere den agrarindustriellen Status Quo. „Angesichts des Klimawandels und des Hungers und der Armut in der Welt brauchen wir eine Abkehr von klimaschädlichen und sozial verwerflichen Importfuttermitteln“, so Geschäftsführer Georg Janßen. „Wir müssen hinkommen zu einer europäischen Eiweißversorgung und einer sonnenbasierten Landwirtschaft. Europa beansprucht weit über seine eigene Fläche hinaus Futterflächen in anderen Kontinenten für umfangreiche Futtermittelimporte. Dies geht auf Kosten der Menschen und der Umwelt dort und befördert industrielle Tierhaltung bei uns.“ [dh]

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