Union und SPD sind sich uneins darüber, wer künftig für Gentechnik-Anbauverbote zuständig sein soll: Bund oder Länder. Nun bekommt Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die ein einheitliches Verbot auf Bundesebene fordert, juristische Rückendeckung. Zwei Rechtsgutachten bestätigen, dass solche Anbaubeschränkungen möglich sind. Ihr für Landwirtschaft zuständiger Kabinettskollege Christian Schmidt (CSU) beharrt aber darauf, den Ländern die Verantwortung zuzuschieben.
Aus Sicht von Hendricks Staatssekretär Jochen Flasbarth ist die Botschaft der juristischen Analysen, die das Ministerium in Auftrag gegeben hatte, klar: „Zwei Rechtsgutachten im Auftrag des @bmub bestätigen: Anbauverbote für #GVO können rechtssicher auf Bundesebene umgesetzt werden“, twitterte Flasbarth am Freitag.
Tatsächlich widersprechen die Juristen der Ansicht von Landwirtschaftsminister Schmidt, stabile Gentechnik-Verbote seien nur auf Bundesländerebene möglich. „Für die Verhältnismäßigkeit und Rechtssicherheit eines flächendeckenden Anbauverbotes ist es von Rechts wegen unerheblich, ob es durch den Bund oder die Länder erlassen wird“, heißt es im Gutachten der Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. Wichtig sei, dass die Maßnahmen verhältnismäßig blieben. „In der Praxis lässt ein Anbauverbot auf Bundesebene deshalb größere Rechtssicherheit erwarten, weil die Konsistenz von Anbauverboten und Risikobewertungen im Zulassungsverfahren besser gewahrt werden können“, so die Anwälte.
Konkret geht es in den Gutachten darum, welche Gründe Regierungen für ihre Anbauverbote anführen dürfen. Der EU-Kompromiss, der das sogenannte Opt-Out möglich machte, nennt einige Punkte, die nun aber ausgestaltet werden müssen. Laut der Kanzlei könnten Gentechnik-Verbote unter anderem mit Umweltargumenten unterfüttert werden: „Die Mitgliedstaaten dürfen insbesondere (...) das Ziel verfolgen, die Natur- und Kulturlandschaft flächendeckend, also im gesamten Hoheitsgebiet zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sowie der Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie des Erholungswertes von Natur und Landschaft vor einer unnötigen Verbreitung von Transgenen zu schützen.“
Auch das zweite Rechtsgutachten hält ein bundesweites Gentechnik-Verbot für möglich: „Je allgemeiner gültig die Gründe sind, desto eher ist eine bundesweite Anbaubeschränkung oder -untersagung zulässig“, so Gerd Winter, Professor für Umweltrecht an der Universität Bremen. Der Bund könne sogar besser eingreifen: „Zum Beispiel ist für ein umweltpolitisches Ziel des Schutzes der Integrität von Ökosystemen oder ein agrarpolitisches Ziel der Förderung bäuerlichen Landwirtschaft nur eine bundesweite Maßnahme sinnvoll.“
Der Dachverband der Bio-Branche begrüßte die Einschätzung der Juristen. „Für Landwirtschaftsminister Christian Schmidt ist der Weg zu rechtssicheren bundesweiten Gentechnik-Anbauverboten mit den Gutachten geebnet“, erklärte der Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), Felix Prinz zu Löwenstein. Nun müsse Berlin handeln, denn auf EU-Ebene könnten bald bis zu neun gentechnisch veränderte Pflanzen zum Anbau zugelassen werden. „Agrarminister Schmidt muss die Gentechnik-Verbote jetzt umsetzen, denn die Menschen wollen keine Gentechnik auf dem Acker und dem Teller. Sie kaufen deshalb immer mehr Bio-Essen und auch herkömmliche Lebensmittel, die gentechnikfrei hergestellt wurden.“
Schmidt beharrt allerdings darauf, die Länder sollten die Verantwortung übernehmen. Laut dem Tagesspiegel sieht ein neuer Gesetzesentwurf des Agrarministers vor, ein Expertengremium einzurichten, das die jeweiligen Verbotsgründe ausloten soll. Die Kommission solle „künftig für jede von der EU zugelassene gentechnisch veränderte Pflanze einzeln prüfen, ob solche 'zwingenden Gründe' für ein nationales oder regionales Anbauverbot vorliegen und Empfehlungen geben – auch dahingehend, auf welcher Ebene ein Verbot stich- und nachhaltiger ist“, schreibt die Zeitung.
Der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner hält das nicht für ausreichend. „Schmidts Expertenkomissions-Vorschlag mag auf den ersten Blick verlockend klingen. Es ist aber nur ein weiterer schlecht kaschierter Versuch des CSU-Ministers, sich selbst um die Verbotsentscheidung zu drücken“, kritisierte der Oppositionspolitiker. „Die Politik darf solche Entscheidungen nicht an Expertenkommissionen abschieben. Einem vergleichbaren Plan wurde soeben beim Fracking Verfassungswidrigkeit bescheinigt.“ [dh]