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Glyphosat: Experten erläutern ihr Urteil

Seit März führt die Internationale Krebsforschungsagentur (IARC) das Spritzmittel Glyphosat in der zweithöchsten Gefahrengruppe 2A („wahrscheinlich krebserregend bei Menschen“). Auf Einladung der Grünen erläuterten zwei der Experten heute im Bundestag, wie die Bewertung zustande kam. Kritik der Industrie wiesen sie zurück.

Die beiden Wissenschaftler aus den USA betonten, alle ihnen bekannte, öffentlich zugängliche Studien zu Glyphosat seien ausgewertet worden. Aus mehreren Studien mit Mäusen und Ratten könne mit „ausreichender“ Gewissheit geschlossen werden, dass Glyphosat bei diesen Tieren Krebs verursache. Bei Menschen gebe es „begrenzte“ Belege, ein krebserregender Effekt auf den menschlichen Körper könne also vermutet werden, erläuterte Ivan Rusyn, Professor an der Texas A&M University, per Video-Liveschaltung.

Zudem gebe es starke Hinweise darauf, dass Glyphosat genotoxisch wirkt und Zellstress verursacht. Insgesamt habe der meistverkaufte Herbizidwirkstoff der Welt daher in die Gruppe „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft werden müssen, so Rusyn.

Sein Kollege Christopher Portier, der für US-Gesundheitsbehörden gearbeitet hat, erklärte beim Fachgespräch in Berlin, welche Studien „glaubhaft“ machten, dass Glyphosat relativ seltene bösartige Erkrankungen des Lymphsystems (Non-Hodkin-Lymphom) auslösen könnte. Besonders wichtig seien dabei eine Studie aus dem landwirtschaftlich geprägten Mittleren Westen der USA, eine aus Kanada und eine schwedische Untersuchung gewesen, so Portier, der die IARC-Experten bei der Literaturauswertung unterstützte, an der Einstufung von Glyphosat jedoch nicht selbst beteiligt war. Eine groß angelegte Befragung von über 50.000 Pestizidanwendern aus den USA und deren Ehepartnern habe keine zusätzlichen Belege geliefert, den Verdacht aber auch nicht entkräften können.

Bislang ist nur ein Vorabbericht der IARC-Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ erschienen. Kritik daran wies Rusyn zurück. Normalerweise erschienen die vollständigen Monographien der Krebsforscher erst nach 12 bis 18 Monaten. Der Glyphosat-Bericht solle nun aber schon im Juli veröffentlich werden, also nach nur vier Monaten. Bis dahin werde alles noch einmal sorgfältig gecheckt, so der Wissenschaftler. Nicht umsonst seien die IARC-Analysen der weltweit anerkannte Standard in der Krebsforschung.

Der Agrochemie- und Gentechnik-Konzern Monsanto hatte schon kurz nach Bekanntwerden der Einstufung gefordert, diese rückgängig zu machen. „Wir stellen die Qualität der Bewertung in Frage“, äußerte sich Philip Miller, der bei Monsanto für Produktzulassungen verantwortlich zeichnet, gegenüber Reuters. Monsanto ist laut Portier noch immer der größte Produzent von Glyphosat, auch wenn sein Patent seit Jahren ausgelaufen ist und mittlerweile Hunderte Markennamen anderer Firmen existierten.

Auch das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), das im Wiederzulassungsverfahren des Herbizids in der EU eine wichtige Rolle spielt, hatte sich skeptisch geäußert. Die IARC-Einschätzung sei „auf Basis der vorliegenden Informationen wissenschaftlich schlecht nachvollziehbar und offenbar nur mit wenigen Studien belegt“, so die Behörde im März. „Die Entscheidung der IARC kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, da die finale IARC-Monographie, in der die Entscheidung ausführlicher begründet werden wird, noch nicht vorliegt.“

Entschlossene Maßnahmen forderte hingegen Harald Ebner (Grüne), der zum Fachgespräch eingeladen hatte. Die Einstufung von Glyphosat als „wahrscheinlich krebserregend“ habe „wie eine Bombe“ eingeschlagen. Die Zulassung von Glyphosat müsse jetzt ausgesetzt werden, über die Wiederzulassung für weitere zehn Jahre erst nach einer vollständigen Auswertung entschieden werden.

Auch mehrere Bundesländer fordern Konsequenzen. Der Verbrauch von Glyphosat in der deutschen Landwirtschaft müsse eingeschränkt werden, erklärten Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Thüringen bei einem Treffen der Umweltminister im Mai. Die Baumarktkette Toom hat bereits angekündigt, den Verkauf des Mittels bis Ende September einzustellen. In der Schweiz zogen Coop und Migros nach. [dh]

+++ UPDATE 09.06. +++ Das BfR hat sich erneut geäußert. Es wiederholt, man müsse die Veröffentlichung der Monographie abwarten. Gleichzeitig verweist die Behörde auf Studien, die den IARC-Experten angeblich nicht vorgelegen hätten: „Dem BfR ist mittlerweile bekannt, dass nur ein geringer Teil der elf vom BfR als valide eingeschätzten Langzeitstudien an Ratten und Mäusen dem IARC vorgelegen hat.“

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