Nach langem Rechtsstreit entschieden Richter des Europäischen Patentamts (EPA) im März, dass nicht nur Gentechnik-Pflanzen, sondern auch konventionell gezüchtete Pflanzen patentiert werden können. Zivilgesellschaftliche Organisationen übten scharfe Kritik. Zwei Juristen der Uni Kopenhagen haben die Entscheidung nun als „sehr vorteilhaft für innovative Pflanzenzüchter und Agrochemie-Unternehmen“ bewertet. Allerdings: es sei „wahrscheinlich“, dass EU-Gerichte anders urteilen – falls sie denn gefragt würden.
Die Einschätzung der zwei Juristen der Kopenhagener Universität, Timo Minssen und Ana Nordberg, erschien im Fachblatt Biotechnology Law Report. Sie fassen die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Patentamts in den Fällen „Brokkoli II“ und „Tomate II“ zusammen. Dabei ging es um Brokkoli mit angeblich gesundheitsfördernden Stoffen und Tomaten mit geringerem Wassergehalt. Das Gemüse stammt aus konventioneller Züchtung, die laut Europäischem Patentübereinkommen eigentlich nicht patentierbar sein soll – im Gegensatz zu gentechnisch veränderten Pflanzen.
Doch die Beschwerdekammer des EPA erklärte, Produkte aus „im Wesentlichen biologischen Verfahren“ seien prinzipiell eben doch patentierbar, darunter auch Pflanzen und Teile von Pflanzen. Es dürfe sich nur nicht um Sorten handeln. „Sehr positive Nachrichten“ für die Pflanzenzucht- und Agrochemie-Industrie, meinen die dänischen Juristen – wobei sie kaum darauf eingehen, dass es Größen eben jener Branche waren, nämlich Syngenta und Limagrain, die gegen das Brokkoli-Patent ihres Konkurrenten Plant Bioscience Einspruch eingelegt hatten.
Entschieden sei der „Krieg“ um die Pflanzenpatente damit aber wohl noch nicht, so Minssen und Nordberg. Erstens, weil die Öffentlichkeit sich noch immer gegen die Patentierung sperre und auch Gentechnik weiterhin ablehne. Zweitens, weil die Gerichte in EU-Mitgliedstaaten und der Gerichtshof der EU selbst nicht an die Entscheidung der EPA-Beschwerdekammer gebunden seien. Denn das Patentamt ist keine EU-Institution, vielmehr besteht es aufgrund eines Vertrags zwischen zahlreichen europäischen Staaten. Sollten die Fälle also den EU-Gerichten vorgelegt werden, sei eine abweichende Auslegung sogar „wahrscheinlich“.
Patentkritiker werfen dem EPA immer wieder vor, Patente auf Pflanzen und auch Tiere einfach durchzuwinken. Dabei profitiere das Amt auch von den Gebühren, die die Antragsteller entrichten müssen. Politisch zuständig ist der Verwaltungsrat, in den die Mitgliedstaaten des Patentübereinkommens ihre Vertreter entsenden – aus Deutschland ein Beamter des von Heiko Maas (SPD) geführten Justizministeriums. [dh]