Anders als in der EU gibt es in den USA keine verpflichtende Kennzeichnung von Lebensmitteln, die aus Gentechnik-Pflanzen hergestellt wurden. Wenn es nach Washington geht, soll es auch dabei bleiben: das Abgeordnetenhaus stimmte letzte Woche für ein Gesetz, das den Status Quo zementieren würde. Verbraucherschützer sind enttäuscht – die Mehrheit der Bürger wünsche sich mehr Transparenz bei Gentech-Lebensmitteln. Aber auch Landwirte lehnen den Vorstoß ab. Nun kommt es auf den Senat an.
Weil die Bundesebene lange untätig blieb, versuchten mehrere Bundesstaaten auf eigene Faust eine Kennzeichnung für Gentechnik-Pflanzen in Lebensmitteln einzuführen. Der Gesetzentwurf mit dem Titel „Safe and Accurate Food Labeling Act of 2015“, der vom Republikaner Mike Pompeo eingebracht wurde, soll dem einen Riegel vorschieben. Zuständig wäre dann nur noch die Bundesebene. Die dürfte Gentechnik-Label zwar erlauben, aber nicht vorschreiben.
Freiwillig wird die Lebensmittelindustrie ihre Produkte aber wohl kaum kennzeichnen. Als in Bundesstaaten wie Kalifornien oder Oregon die Wähler über eine Kennzeichnung abstimmen durften, investierten die Konzerne Millionen in Negativkampagnen. Sie warnten vor allem vor stark steigenden Preisen. Viele industriell hergestellte Snacks, Süßigkeiten, Getränke oder Fertiggerichte enthalten in den USA Stärke aus Gentechnik-Mais, Öl aus Gentechnik-Soja oder Zucker aus Gentechnik-Rüben.
Zwar soll mit dem neuen Gesetz ein landesweites Non-GMO-Label für Produkte ohne Gentechnik ermöglicht werden. Allerdings soll dieses dann auch auf Tierprodukten wie Fleisch, Eiern oder Milch aufgebracht werden dürfen, wenn die Tiere mit Gentechnik-Mais oder -Soja gefüttert wurden. Der Entwurf wurde mit deutlicher Mehrheit – 230 Republikaner und 45 Demokraten dafür, 138 Demokraten und 12 Republikaner dagegen – angenommen.
Verbraucherschützer sprachen von einer „tiefen Enttäuschung“. Interessen von Konzernen wie Monsanto, dem führenden Gentechnik-Unternehmen, würden über die Bedürfnisse von Millionen Amerikanern gestellt, beklagte das Center for Food Safety. Doch auch die National Farmers Union, die nach eigenen Angaben circa 200.000 „Familienfarmen“ vertritt, lehnt den Gesetzentwurf ab. Mehr und mehr Verbraucher wünschten sich Informationen über ihre Lebensmittel.
Vermont ist der erste Bundesstaat, in dem nächstes Jahr eine verpflichtende Gentechnik-Kennzeichnung in Kraft treten soll. Doch mit dem jetzt vom Abgeordnetenhaus auf den Weg gebrachten Gesetz wären die Bemühungen des Bundesstaats, der sich Klagen der Industrie ausgesetzt sieht, hinfällig. Governeur Peter Shumlin gab sich nach dem Votum in Washington optimistisch, dass das Gesetz noch aufgehalten werden könne. Auch er betonte, Millionen von Bürgern wollten wissen, was in ihren Lebensmitteln stecke.
Noch muss der Gesetzentwurf auch den Senat passieren. Dort wird er zunächst im Agrarausschuss behandelt. [dh]