Wenn es um die zunehmende Nachfrage nach „Bio“ in der Türkei geht, kennt sich Vehbi Ersöz aus wie kein Zweiter. Er gehört zu den Pionieren des Ökolandbaus in Anatolien. Mit seinem Hof in der Region Afyon, rund 300 Kilometer südwestlich der Hauptstadt Ankara, blickt er auf eine über 20-jährige Erfahrung in der nachhaltigen Landwirtschaft zurück. Er war der Erste, der sich seine biologischen Anbaumethoden 1996 offiziell zertifizieren ließ.
Neben der Obst- und Gemüseproduktion ist Ersöz gesellschaftlich aktiv. Er organisierte nicht nur die ersten ökologischen Wochenmärkte, sondern gründete auch die Organisation TaTuTA mit, die freiwilligen Helfern aus aller Welt die Mitarbeit auf Biohöfen in der Türkei ermöglicht. Und er beteiligte sich von Anfang an an der Plattform „GDO'ya Hayir“ („Nein zu GVO“), die sich gegen den Einsatz von Agro-Gentechnik im Land und für eine Kennzeichnungspflicht einsetzt. Diese Thema sei bei den türkischen Bauern noch relativ unbekannt, meint Ersöz. Die Arbeit der Plattform habe aber mediales Interesse und Aufmerksamkeit erzeugt.
Tatsächlich zeigt eine aktuelle Greenpeace-Umfrage, dass die überwiegende Mehrheit der türkischen Verbraucherinnen und Verbraucher sehr wohl wissen, was es mit dem Begriff „GDO“ (türk. für GVO, Gentechnisch Veränderter Organismus) auf sich hat. Die Ablehnung ist entsprechend hoch: 79 Prozent der insgesamt 4.860 Befragten halten GVO generell für schlecht. 83 Prozent würden sich gegen Produkten entscheiden, wenn sie von gentechnisch veränderten Bestandteilen wüssten. Und 85 Prozent der Türkinnen und Türken wünschen sich eine Kennzeichnungspflicht für tierische Erzeugnisse, für die Futtermittel aus Gentechnikpflanzen eingesetzt wurden. Landwirtschaftsminister Mehdi Eker kündigte im April dieses Jahres ein entsprechendes Gesetz an. Bislang finden sich auf den Packungen von Tierprodukten, für die z.B. Gentechsoja aus Übersee verfüttert wurde, wie auch in der EU, keine Hinweise.
Bio-Vorreiter Ersöz konzentriert sich unterdessen auf neue Projekte. Manchen in der Ökobranche gehe es ums Geld, kritisiert er. „Mir nicht. Ich möchte mein Wissen über biologische Landwirtschaft teilen“, so Ersöz. Dazu ist auch sein jüngstes Vorhaben geeignet. Auf einem Stück Land, das anderen Bauern nicht einträglich genug erschien, plant er eine Rosenzucht nach ökologischen Kriterien. Das Wasser soll aus speziellen Brunnen kommen, Sonnenenergie für den Strom sorgen. In einem kleinen Kulturzentrum möchte er Seminare für Landwirte und Interessierte abhalten. Und zur Beherbergung der Besucher sollen traditionelle Lehmhütten dienen, die aufgrund ihrer Bauweise und des Materials im Sommer kühl und im Winter warm sind. Denn auch den „Ökotourismus“ habe er schon betrieben, versichert Ersöz zwinkernd, bevor der überhaupt erfunden worden sei.