Es ist das erste Urteil dieser Art auf dem südamerikanischen Kontinent: Ein argentinisches Gericht hat einen Gentechnik-Landwirt und einen Flugzeugpiloten der Vergiftung von Anwohnern mit Pestiziden für schuldig befunden. Die beiden Männer erhielten Bewährungsstrafen von jeweils drei Jahren. Außerdem müssen sie gemeinnützige Arbeit leisten.
Trotz eines Verbots hatten die nun Verurteilten jahrelang Glyphosat und andere Unkrautvernichtungsmittel auf Feldern mit gentechnisch veränderter Soja ausgebracht. Dabei haben sie die Einwohner des benachbarten Ituzaingo Anexo, einem kleinen Vorort der Stadt Córdoba, schleichend vergiftet. Dort klagen die Menschen schon lange über Krankheiten und Todesfälle, die sie mit den toxischen Pestiziden in Verbindung bringen. Der erste Strafgerichtshof von Córdoba gab ihnen nun Recht.
Beobachter und Umweltaktivisten priesen das Urteil als „historisch“. Eine von ihnen ist Sofía Gatica, eine Bewohnerin des betroffenen Vorortes. Sie zeigte sich zugleich aber enttäuscht über die aus ihrer Sicht milden Urteile: „Dass die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, verspottet die Opfer!“ Gatica dokumentiert seit 2001 die Auswirkungen des Gifteinsatzes in ihrer Nachbarschaft. Kurz zuvor war ihre neugeborene Tochter an einer seltenen Krankheit gestorben, andere Kinder litten an Vergiftungserscheinungen. Sie beschloss, den Kampf gegen die Pestizide aufzunehmen. Dafür wurde sie Anfang dieses Jahres mit dem Goldman-Umwelt-Preis ausgezeichnet.
Argentinien ist eines der wichtigsten Anbauländer von Sojapflanzen und exportiert deren Bohnen in großem Stil, insbesondere nach Europa. Doch die steigenden Erlöse aus dem Agrargeschäft haben auch eine Kehrseite: Der Einsatz von Pestiziden, wie dem auch in der EU umstrittenem Glyphosat, das der US-Konzern Monsanto unter dem Namen Roundup vertreibt, ist in Argentinien sehr hoch. Umweltgruppierungen beziffern die jährlich versprühte Gesamtenge auf 340 bis 370 Millionen Liter.
Der Anbau von gentechnisch veränderter Soja, z.B. der „Roundup-Ready“ genannten herbizidtoleranten Art von Monsanto, begünstigt den Einsatz von Glyphosat. Seit Mitte der neunziger Jahre erlebte die Kombination aus Gentechnik und Chemie in Argentinien einen wahren Boom. Während vorher quasi kaum Soja angebaut wurde, wuchsen die Pflanzen im Jahr 2011 auf 19,1 Millionen Hektar. Nach Angaben der gentechnikfreundlichen Organisation ISAAA (International Service for the Acquisition of Agri-Biotech Applications) waren diese im letzten Jahr zu 100 Prozent gentechnisch verändert.
Ein Ende ist nicht in Sicht: Vor kurzem gab das argentinische Landwirtschaftsministerium grünes Licht zum Anbau der zweiten Generation der Roundup-Ready-Soja mit Namen „Intacta“. Diese soll nicht nur das Besprühen mit Unkrautvernichtungsmitteln aushalten, sondern auch ein eigenes Gift zur Abwehr von Insekten produzieren. Die EU hat bereits die Genehmigung zum Import und Verarbeitung von „Intacta“ erteilt.