Wenn Äthiopien anderswo Aufmerksamkeit erfährt, geht es oft um Nahrungsmangel. Im Human Development Index der Vereinten Nationen belegt das ostafrikanische Land nach wie vor einen der letzten Plätze. Dabei verfügt es eigentlich über gute Böden und hohes Potenzial für die Lebensmittelproduktion. Das haben auch Investoren erkannt. China oder Saudi-Arabien haben große Flächen aufgekauft oder gepachtet, wo für den eigenen Bedarf produziert wird. Doch für Firmen könnte dort auch ein neuer Absatzmarkt entstehen. Nun eröffnete die deutsche Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) vor Ort ein Weiterbildungszentrum für äthiopische Bauern. Mit an Bord sind große Traktoren-, Dünger- und Saatguthesteller, darunter auch der Gentechnik-Konzern Bayer Cropscience.
„Ich freue mich, dass sich an diesem Projekt auch die deutsche Agrarwirtschaft beteiligt. Denn so können wir neue Technologien erkunden und in partnerschaftlicher Kooperation einen Beitrag zur Entwicklung der äthiopischen Landwirtschaft leisten“, lobt die Ministerin das Engagement der Unternehmen. Die Kosten werden geteilt. Aigners Ministerium fördere „gezielt den Transfer moderner Technologien in die Partnerländer“, wird auf einer Internetpräsenz erklärt. Die finanzielle Beteiligung der Firmen an den konkreten Projekten liege bei 50 Prozent.
Am Weiterbildungszentrum, das circa 170 Kilometer von der Hauptstadt Addis Abeba liegt, beteiligen sich Produzenten landwirtschaftlicher Maschinen wie AGCO, Beinlich und Lemken, aber auch Saatgut-Entwickler wie Europlant und Bayer Cropscience. Die Agrarsparte des Weltkonzerns aus Leverkusen trimmt Pflanzen auf Höchstleistung – durch herkömmliche Hybridtechnologie, aber auch Gentechnik. Dazu werden chemische Spritzmittel verkauft. Die Richtung des deutsch-äthiopischen Projekts scheint klar: es geht nicht um eine lokal angepasste, kleinbäuerliche Landwirtschaft, sondern um industrielle Strukturen.
Das neue Weiterbildungszentrum, in denen äthiopischen Bauern die Arbeitsweisen der westlichen Agrarindustrie näher gebracht werden, ist Teil eines Kooperationsprogramms zwischen Addis Abeba und Berlin. In einem weiteren Projekt, das auf 15 Jahre angelegt ist, soll der Saatgutsektor des Landes „gestärkt“ werden. Am Ende, so erwartet das deutsche Landwirtschaftsministerium, sollen „die staatlichen Züchtungsorganisationen zuverlässig hochwertige angepasste Sorten züchten.“
Aus Deutschland ist neben der staatlichen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) auch hier die Privatwirtschaft vertreten - mit der Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung (GFP). Diese beschreibt sich selbst als „gemeinnützig“, sie forsche an der „genetischen Verbesserung unserer Nutz- und Nahrungspflanzen.“ Zu ihren Mitgliedern gehört nicht nur der französische Saatgut-Riese Limagrain, sondern auch die Gentechnik-Konzerne Monsanto Deutschland, Syngenta Seeds und die deutsche KWS Saat AG. Zusammen kontrollieren diese Firmen große Teile des kommerziellen Saatgutmarkts der Welt: im Jahr 2009 gingen laut Expertengruppe ETC mit 45 Prozent fast die Hälfte der registrierten Verkäufe auf ihr Konto. [dh]