Weizen ist wichtiges Grundnahrungsmittel für Millionen Menschen. Doch die Steigerung der Erträge geht der Politik nicht schnell genug. Deshalb haben die Industrie- und Schwellenländer der G20 vor zwei Jahren eine Weizen-Initiative gestartet, um die Forschung an der Kulturpflanze voranzutreiben. Ob es dabei aber nur um Ernährungssicherheit geht, ist fraglich. Denn neben nationalen Ministerien – in Deutschland dem Agrarministerium von Ilse Aigner (CSU) – sind auch mächtige Saatgut-Konzerne wie Monsanto, Syngenta, Dow und Limagrain beteiligt. Heute wurde in Paris die „internationale Vision“ der Gruppe vorgestellt.
In dem Visionspapier wird immer wieder betont, dass die Weizenerträge dringend steigen müssten, um die wachsende Weltbevölkerung zu ernähren. Dafür werde man eine „globale strategische Agenda“ für die Forschung auflegen und Anreize für Investitionen schaffen. Die Privatwirtschaft soll über Partnerschaften eingebunden werden. Aus dem Agrar-Bereich ist sie ohnehin kaum wegzudenken: im Jahr 2011, als die G20 die „Wheat Initiative“ ins Leben rief, kontrollierten nur fünf Konzerne mit 47 Prozent fast die Hälfte des kommerziellen Saatgutmarkts der Welt, wie die Organisation ETC berechnete. Nun sind alle fünf auch offizielle Partner des Weizen-Verbesserungs-Programms. Neben dem französischen Saatgut-Hersteller Limagrain sind es die US-Konzerne Monsanto und Dow, Syngenta aus der Schweiz und die britische Tochter des deutschen Unternehmens KWS. Sie züchten nicht nur konventionelle Sorten, sondern vertreiben auch Gentechnik-Pflanzen.
Aus Sicht des Bundeslandwirtschaftsministeriums ist die Beteiligung des Agri-Business ein Vorteil. „Durch die internationale Zusammenarbeit von Wissenschaft, öffentlichen und privaten Fördermittelgebern sowie der Wirtschaft in der Weizenforschungsinitiative ist eine bessere Abstimmung bei zentralen Fragen der Weizenforschung und -züchtung sowie eine stärkere Fokussierung auf die Schlüsselfragen zu erwarten“, erklärte die Behörde von Ministerin Aigner heute. Deutschland stellt deshalb auch finanzielle Mittel zur Verfügung. So finanziert das Forschungsministerium die Suche nach bestimmten Genen im Weizen, die gewünschte Eigenschaften wie hohe Erträge bedingen mit 700.000 Euro. Koordiniert wird die Erforschung der Genmarker vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben sowie der TraitGenetics GmbH. Beteiligt sind aber auch die Gentechnik-Konzerne KWS und Syngenta.
Für ein weiteres Forschungsprojekt des IPK stellte die Bundesregierung sogar 2,4 Millionen Euro zur Verfügung. Dabei sollen mittels Gentechnik pilzresistente Weizenpflanzen entstehen. Neben KWS ist auch der deutsche Agrochemie-Konzern Bayer Cropscience mit von der Partie – das ist nicht verwunderlich, denn das Unternehmen hält laut Projektbeschreibung ein Patent auf die biotechnologische Methode, die dabei zum Einsatz kommt. Ob Bayer, Monsanto und Syngenta für ihre Forschung aber überhaupt Hilfe vom Steuerzahler benötigen, kann angesichts ihrer Milliardengewinne und der enormen Summen, die sie für die Entwicklung neuer Gentechnik-Sorten ausgeben, zumindest hinterfragt werden.
Und auch die Annahme, die der gesamten Weizen-Initiative zugrunde liegt, ist keineswegs unstrittig: sie geht davon aus, dass bis Mitte des Jahrhunderts eine Ertragssteigerung um 60 Prozent nötig sei. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen hat allerdings letztes Jahr Zahlen vorgelegt, wonach der Kalorienbedarf aller Menschen rein rechnerisch längst gedeckt werden könnte. So lange jedoch ein großer Teil der Ernten aufgrund des Fleischkonsums der westlichen Welt ins Tierfutter wandert – auch hier verdienen die Gentechnik-Konzerne mit transgener Soja und Mais kräftig mit – bleibt eine Lösung der Ernährungsprobleme äußerst schwierig. Die „Wheat Initiative“ der G20 wird daran nur wenig ändern. [dh]