Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union könnten am morgigen Freitag über die Zulassung eines weiteren Gentechnik-Maises des Agrarkonzerns Monsanto abstimmen. Die EU-Kommission hat das Thema auf die Tagesordnung des zuständigen Ausschusses gesetzt. Darauf macht der Verein Testbiotech aufmerksam. Er kritisiert, dass die EU-Lebensmittelbehörde den Mais als „sicher“ eingestuft hat, obwohl Monsanto gegen international anerkannte wissenschaftliche Standards verstoßen habe. Der Gentech-Mais soll auch bei Trockenheit wachsen können. Dass das tatsächlich funktioniert, bezweifeln jedoch verschiedene Experten.
Der Mais MON87460 könnte nach einer Zulassung als Futtermittel importiert werden. Monsanto hat ihm ein Gen eingebaut, das die Produktion eines Kälteschockproteins bewirkt. Es stammt von Bakterien, die damit auf Umweltstress reagieren. Es soll die Zellfunktionen auch unter schwierigen Bedingungen wie Trockenheit stabilisieren und so Ernteausfälle reduzieren. Wie dieser Mechanismus genau funktioniert, ist laut Testbiotech und den Wissenschaftlern der Union of Concerned Scientists aus den USA jedoch unklar. Durch das Bakteriengen produziere die Maispflanze das Kälteschockprotein nicht nur, wenn es tatsächlich nötig ist, sondern permanent. Deshalb könne es in der Pflanze zu „unbeabsichtigten Effekten“ kommen. Diesen Aspekt habe die EFSA, die für die Gentechniksicherheit zuständige EU-Behörde, allerdings gar nicht untersucht, so Testbiotech.
Stattdessen stützte sich die EFSA bei ihrer Einschätzung wie üblich allein auf die Daten des Antragstellers – in diesem Fall Monsanto. Diese entsprächen jedoch gar nicht den wissenschaftlichen Standards der OECD, kritisiert Testbiotech. So wurde das Kälteschockprotein an Mäusen getestet um toxikologische Wirkungen zu untersuchen. Dabei sei die jeweilige Dosis jedoch viel zu niedrig gewesen. Auch seien die Tests so kurz gewesen, dass die Richtlinien der EFSA selbst nicht eingehalten wurden. Die Behörde winkte den Monsanto-Mais trotzdem durch. Testbiotech listet in einer Stellungnahme noch weitere Mängel der Sicherheitsprüfung und Verstöße gegen EU-Vorschriften auf.
Doch abgesehen von möglichen Risiken des Gentech-Maises: hält MON87460 überhaupt, was sein Hersteller verspricht? Hilft er Maisbauern, die mit immer längeren Dürreperioden im Zuge des Klimawandels kämpfen? Die Union of Concerned Scientists ist skeptisch. Erstens, weil die bislang veröffentlichten Daten aus Freilandtests nicht ausreichten. Monsanto hat seinen Mais nur zwei Anbausaisons lang in den USA und Chile getestet. Und zweitens sei bei diesen Versuchen nur eine sechs-prozentige Reduzierung von Ernteausfällen gegenüber konventionellem Mais herausgekommen – und das auch nur unter „moderater“ Trockenheit. Die Verluste seien so immer noch hoch. Und wenn es zu ernsthaften Dürren komme, verliere die Gentech-Pflanze ihre Wirkung größtenteils. Dabei, so die Wissenschaftler in einem Bericht, mache die Züchtung konventioneller Maissorten, die gegen Trockenheit resistent sind, erkennbare Fortschritte. Auch Testbiotech verweist darauf, dass bereits solche angepassten Pflanzen verfügbar seien. Den transgenen Mais braucht es also möglicherweise gar nicht.
Dass die Gentechnik nicht unbedingt der beste Weg ist, um Pflanzen an Dürren anzupassen, vermutet auch der Molekularbiologe Bernd Müller-Röber. Der Professor der Universität Potsdam sprach heute in Berlin zu neuen Entwicklungen der Pflanzenbiotechnologie beim alljährlichen Innoplanta-Forum. Der Veranstalter, der Verein Innoplanta, setzt sich für die Nutzung der Agro-Gentechnik auch in Deutschland ein. Müller-Röber sprach also zu einem überwiegend gentechnik-freundlichen Publikum. Auch der Professor steht der Technologie offen gegenüber. Allerdings: bei komplexen Eigenschaften wie Trockenheitstoleranz, so seine Einschätzung, hätten moderne Züchtungsmethoden mehr Potenzial als die Gentechnik. [dh]