In den Koalitionsverhandlungen konnten sich CDU, CSU und SPD bislang nicht auf eine gemeinsame Linie zur Agro-Gentechnik einigen. Über strittige Passagen im Vertragsentwurf sollen nun die Parteivorsitzenden persönlich verhandeln. Bundeskanzlerin Angela Merkel, der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer und SPD-Chef Sigmar Gabriel müssen dabei die Frage klären, ob gentechnisch veränderte Pflanzen in Deutschland angebaut oder zu Versuchen freigesetzt werden dürfen sollen.
Alle drei Parteien „erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“ So steht es in einem Papier der Arbeitsgruppe Umwelt und Landwirtschaft von Mittwoch. Die Verbraucher können außerdem darauf hoffen, dass bei Eiern, Milch, Fleisch und Käse künftig auf der Verpackung stehen muss, ob Gentechnik-Futtermittel verfüttert wurden. Für eine entsprechende Kennzeichnungspflicht wollen sich die Koalitionäre auf europäischer Ebene einsetzen. Bislang tappen Konsumenten diesbezüglich im Dunkeln, in der konventionellen Produktion werden aber große Mengen an gentechnisch verändertem Soja und Mais aus Übersee als Futtermittel eingesetzt.
Unklar ist hingegen, wie sich die künftige Bundesregierung zum Anbau von Gentechnik-Pflanzen hierzulande stellen wird. Verhandeln müssen Merkel, Seehofer und Gabriel daher noch über folgende Passage aus dem Vertragsentwurf: „Wir lehnen dementsprechend den Anbau, die Freisetzung und die Zulassung gentechnisch veränderter Sorten in Deutschland und Europa im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten ab. Über eine gegebenenfalls auf EU-Ebene ermöglichte opt-out-Klausel wird gesondert entschieden.“ Die SPD tritt für ein Gentechnik-Verbot auf dem Acker ein und hat dabei auch die CSU auf ihrer Seite. Die CDU will hingegen alle Optionen offen halten.
Unterdessen haben innerhalb weniger Tage schon über 130.000 Personen einen Appell an die Koalitionspartner unterzeichnet. Sie fordern, Anbau und Freisetzung von gentechnisch modifizierten Pflanzen zu untersagen. Der Aufruf weist auch auf die drohende Zulassung des Biotech-Mais 1507 des US-Unternehmens Dupont Pioneer hin. Dieser produziert ein Insektengift, gleichzeitig ist er gegen das Herbizid Glufosinat resistent. Ob dieser Mais künftig in der EU angebaut werden darf, wird in den kommenden Wochen entschieden. Eigentlich werden diese Entscheidungen von einem ständigen Ausschuss getroffen, in den die nationalen Regierungen Beamte entsenden. Weil der Antrag auf Zulassung von 1507 aber schon mehrere Jahre alt ist, gelten laut EU-Kommission die früheren Regeln: daher müssen zunächst die Umwelt- oder Verbraucherschutzminister der Mitgliedsstaaten abstimmen. Kommt dabei keine qualifizierte Mehrheit zustande, hat die EU-Kommission das letzte Wort – in diesem Fall würde 1507 wohl zugelassen. Deutschland hat sich bei vergangenen Abstimmungen meist enthalten, weil sich CDU/CSU und FDP nicht einig waren. [dh]