Trotz anderslautender Versprechen der Agrarindustrie werden Gentechnik-Pflanzen auch zukünftig vor allem eines können: den Herbizidverkauf ankurbeln. Das geht aus einer Studie des kritischen Experten Christoph Then hervor, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Von 55 transgenen Pflanzen, die zurzeit auf eine EU-Zulassung warten, seien 48 resistent gegen Unkrautvernichtungsmittel. Nur zwei sollen besser mit schwierigen Umweltbedingungen klar kommen – ob sie das wirklich schaffen, ist im Gegensatz zu einigen konventionellen Zuchterfolgen unklar.
Christoph Then, promovierter Tierarzt und seit 20 Jahren aufmerksamer Beobachter der Agro-Gentechnik, leitet das Institut Testbiotech in München. Im Auftrag des grünen Europaparlamentariers Martin Häusling hat er die Studie erstellt. Für die nächsten Jahre erwartet Then: es werden immer mehr herbizidresistente Gentechnik-Pflanzen auf dem Acker landen, und diese werden gegen immer mehr Herbizide resistent sein. Der Autor spricht von „doppelter Steigerung“.
Denn weil sich Unkräuter, beispielsweise in den USA, an die systematische Giftbelastung auf dem Feld angepasst haben, reicht die Kombination von Gentechnik-Pflanze und einem passenden Spritzmittel nicht mehr aus. Deshalb setzt die Industrie auf „Stacked Events“, mehrere Resistenzeigenschaften pro Pflanze. Als Beispiel nannte Then den „Smartstax“-Mais der US-Konzerne Monsanto und Dow. Dieser ist nicht nur gegen Glyphosat, die Nummer eins unter den Herbiziden unempfindlich, sondern auch gegen Glufosinat. Zusätzlich produziert die Pflanze permanent sechs Insektengifte. Im November wurde Smartstax auch in der EU zum Import als Futtermittel zugelassen, angebaut wird er in den USA. Mittlerweile gibt es noch eine Steigerung, die Then „Smartstax +“ nennt: dieser Mais ist gleich gegen vier Spritzmittel resistent, darunter auch 2,4-D, das laut einem Diskussionsteilnehmer der heutigen Veranstaltung „aus der Mottenkiste“ der Agrargifte geholt wurde.
49 gentechnisch veränderte Pflanzen sind laut Then bereits in der EU zugelassen, davon derzeit nur eine zum Anbau, der Monsanto-Mais MON810. 55 weitere warten auf eine Genehmigung, die meisten davon als Futtermittel, zehn davon jedoch auch zum Anbau. Es handelt sich größtenteils um Mais, Soja und Baumwolle, dazu kommen einige Raps- und Reissorten. Überwiegend sind die Pflanzen, die jetzt in der Warteschleife hängen, gegen Spritzmittel resistent. Andere produzieren ihr eigenes Insektizid oder sind Stacked Events. Nur zwei versprechen Toleranz bei Dürre oder Hitze, davon ist eine laut Studie aber schon an den Antragsformalitäten gescheitert. Die andere, der Monsanto-Mais MON87460 könnte zugelassen werden, denn die Mitgliedsstaaten konnten sich nicht auf eine eindeutige Position einigen, nun liegt es an der gentechnik-freundlichen EU-Kommission. Ob er wirklich den gewünschten Erfolg bei Wassermangel bringt, ist fraglich. Die Union of Concerned Scientists aus den USA beurteilte bisherige Testergebnisse als ernüchternd. Längst gibt es hingegen konventionell gezüchtete Pflanzen, die auch bei Dürre ordentliche Ernten ermöglichen.
Apropos Monsanto: die meisten Gentech-Pflanzen, die auf ein OK der EU warten, stammen von dem US-amerikanischen Agrochemie-Konzern. Der letztes Jahr angekündigte und vieldiskutierte „Rückzug“ aus Europa - dabei ging es nur um Anträge auf Anbaugenehmigungen – ist laut Thens Studie noch nicht vollzogen. Zumindest eine glyphosatresistente Sojapflanze des Unternehmens sei weiter im Rennen um eine Zulassung für den Anbau in der EU. Viele Pflanzen will auch der Schweizer Konzern Syngenta auf den EU-Markt bringen, weitere Anträge stammen von Dow und Dupont aus den USA sowie Bayer und BASF aus Deutschland.
Aus Sicht von Then geht es bei der Gentechnik nicht um eine Verbesserung der Landwirtschaft, sondern um einen „Krieg gegen die Natur“. Nichts von den Versprechen der Industrie und ihrer Lobbyisten habe sich bewahrheitet. Vor 20 Jahren, so zeigt Then anhand einer OECD-Untersuchung von 1992, hätten die Konzerne prognostiziert, dass man dank der Gentechnik bis spätestens 2003 dürreresistente Pflanzen und bis spätestens 2006 direkte Ertragssteigerungen erreichen werde. Stattdessen lautet das Geschäftsmodell auch 2014 noch: transgene Pflanze plus Pestizide. Dazu kommt die dominante Stellung einer Handvoll Agrochemie-Riesen auf dem Markt für konventionelles Saatgut. Es gebe in Europa zwar noch kleine Zuchtunternehmen, doch die würden „teilweise ganz gezielt aufgekauft“, sagte der Abgeordnete Martin Häusling. Deren Errungenschaften würden dann allerdings nicht weiter entwickelt, sondern vom Markt genommen, um die Vormachtstellung der Großen zu sichern.
Ein „neues Level“ erreiche die Gentechnik nicht bei Soja oder Baumwolle, sondern bei Bäumen und Insekten, so Then. Bei Pappeln wird die Holzbeschaffenheit verändert, bei Olivenfliegen ein für den weiblichen Nachwuchs tödliches Gen eingebaut. Die Risiken für die Umwelt seien nicht vorhersagbar, freigesetzte Gentechnik-Organismen nicht mehr zurückzuholen. Teilweise wird hier das Erbgut noch viel weitgehender verändert als bei der „klassischen“ Gentechnik. Diese „Synthetic Genome Technologies“ seien von der Öffentlichkeit weitestgehend unbeachtet geblieben, obwohl sie teils schon kommerziell genutzt werden. Auch der in der EU zugelassene Smartstax-Mais enthält DNA aus dem Labor. „Das ist Cyberkrieg auf dem Acker!“, kritisierte Häusling in einer Pressemitteilung. „Ein technologischer Machbarkeitswahn, der jegliche Regeln für eine nachhaltige Produktion missachtet.“ [dh]