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Gentechnik-Mais: Alle gegen die Kanzlerin

Morgen wird in Brüssel über eine Anbaugenehmigung für den gentechnisch veränderten Mais 1507 entschieden. Die Bundesregierung hat angekündigt, sich enthalten zu wollen. Viele Bundesländer fordern hingegen ein „Nein“ zu gentechnisch veränderten Pflanzen, auch Frankreich drängt auf eine Ablehnung. Überraschend will nun sogar die als eher gentech-freundlich geltende Regierung der Niederlande gegen 1507 votieren. Unterdessen gibt es Zweifel am tatsächlichen Giftgehalt des Gentechnik-Maises.

Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa lehnt die Mehrheit der deutschen Bundesländer die Anbauzulassung für den transgenen Mais ab. Nur Sachsen-Anhalt und Sachsen äußerten sich laut der Agentur offener für den Gentechnik-Anbau. Der Landwirtschaftsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Till Backhaus (SPD), bezweifelte, dass die Risiken von 1507 ausreichend untersucht sind: „Es fehlen meines Erachtens grundsätzliche Begleitstudien der Saatgutkonzerne, welche Folgewirkungen diese Pflanze für Flora und Fauna haben kann.“

1507 produziert aufgrund eines eingebauten Bakteriengens ein Insektizid. Die Dosis ist umstritten. Der Verein Testbiotech veröffentlichte gestern die Ergebnisse eines Vergleichs verschiedener Studien. Die Einschätzung: „Aus den vorhandenen Daten muss aber gefolgert werden, dass die 1507-Pflanzen in ihren Eigenschaften nicht ausreichend einheitlich und vorhersagbar sind, sondern sehr viel größere Unterschiede zeigen, als von der europäischen Lebensmittelbehörde EFSA bislang angegeben wird.“

Das bringt nicht nur Gentechnik-Gegner und einige Bundesländer ins Grübeln. Ein deutsches „Nein“ zum Gentech-Mais liegt allerdings in der Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihre Koalitionspartner CSU und SPD würden 1507 lieber eine Abfuhr erteilen. Und auch aus der CDU gibt es kritische Stimmen, mehrere Bundestagsabgeordnete stimmten gegen die Koalitionsräson und gegen den genmodifizierten Mais. Merkel lies sich bislang aber nicht umstimmen. Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte letzte Woche an, Deutschland werde sich auf EU-Ebene enthalten, da es im Kabinett keine Einigkeit gebe.

Diese Haltung der Bundesregierung ärgert die Franzosen. Die Regierung von Francois Hollande wirbt in Brüssel für ein „Nein“ zur Genehmigung des Gentechnik-Maises. Einem Medienbericht zufolge sagte der Europaminister Thierry Repentin seinem deutschen Kollegen Michael Roth, Frankreichs Zustimmung zum geplanten Freihandelsabkommen zwischen EU und USA könne davon abhängen, wie Deutschland über 1507 abstimme. Das sei die „Nagelprobe für das Freihandelsabkommen“, zitierte die FAZ den französischen Minister. Nach dem Treffen mit Roth am letzten Mittwoch twitterte Repentin, er sei überzeugt, dass in Sachen Gentechnik noch nichts verloren sei.

Frankreichs Diplomaten bearbeiten in Brüssel die Vertreter anderer Mitgliedsstaaten, um eine Allianz gegen den Gentechnik-Mais 1507 aufzubauen. Nach derzeitigem Stand sind die Gegner der genmodifizierten Pflanze zwar in der Mehrheit, für ein rechtsgültige Ablehnung sind aber 260 der insgesamt 352 Stimmen notwendig. Zuletzt konnten nur 176 „Nein“-Stimmen verbucht werden. Allerdings hat die niederländische Regierung überraschend angekündigt, von einer Enthaltung abweichen und doch gegen die Zulassung stimmen zu wollen. Umwelt-Staatssekretärin Wilma Mansveld hatte den Sinneswandel vor dem Parlament in Den Haag bekannt gegeben, wie die europäischen Grünen über ihren Twitter-Kanal mitteilten. Mit den 13 Stimmen der Niederländer wachsen die Nein-Stimmen auf 189.

Laut der Zeitung Le Monde hofft die französische Regierung, dass sich noch weitere Staaten anschließen, wenn auch Deutschland gegen den Gentechnik-Mais votiert. So haben Irland, Tschechien, Belgien, Portugal und Rumänien eine Enthaltung angekündigt. Würden sie ebenfalls mit „Nein“ stimmen, würde es mit den 29 Stimmen Deutschlands locker zu einer qualifizierten Mehrheit reichen. Damit wäre die Zulassung von 1507 verhindert. Laut Europaminister Repentin will Frankreich „bis zum letzten Moment“ um die Mehrheit ringen. Einer EU-Quelle zufolge war Mitte letzter Woche zumindest die rumänische Position noch nicht in Stein gemeißelt.

Annemarie Volling von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft appellierte daher in einer Pressemitteilung an die Bundeskanzlerin: „Nachdem sich die Staatsregierung Frankreich entschieden gegen die Zulassung von 1507 stellt und aktuell die Regierung der Niederlande – sonst eher auf der Befürworterseite zu finden – nun ebenfalls mit 'nein' stimmen will, liegt es in der Hand von Bundeskanzlerin Angela Merkel, ob sie drei Monate vor den Europawahlen die gentechnikfreie Landwirtschaft und Lebensmittelerzeugung sicherstellen oder sie gefährden und der Gentechnikindustrie den grünen Teppich ausrollen will.“ [dh]

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