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EU-Parlament verabschiedet fragwürdigen Bericht zum Gartenbau

Das Europäische Parlament hat am Dienstag einen Bericht „über die Zukunft des Wirtschaftszweigs Gartenbau in Europa“ angenommen. Einige industrie-freundliche Paragraphen wurden zwar gestrichen. Trotzdem soll beispielsweise eine Gentechnik-Methode als „herkömmliche Pflanzenzucht“ anerkannt werden. Rechtliche Auswirkungen hat der Bericht zunächst keine – jedoch könnte er Lobbyisten die Arbeit erleichtern.

„Moderne gentechnische Verfahren können in Programmen zur Verbesserung von Gartenbaukulturen erfolgreich zum Einsatz kommen“, heißt es unter anderem in dem Bericht, den die britische Konservative Anthea McIntyre verfasst hat und den das Parlament am Dienstag mit 354 zu 285 Stimmen, vor allem aus dem konservativen und liberalen Lager, verabschiedete. Und: „Gentechnische Veränderungen, mit denen bestimmte Gene von einem Organismus auf einen anderen übertragen werden, sind nachweislich eine wirksame Technik, mit der neue Eigenschaften – wie etwa die Resistenz gegen bestimmte Krankheiten oder gegen Stress oder ein verbesserter Nährstoffgehalt – auf Pflanzen übertragen werden können.“

Dabei sind das gar nicht die Eigenschaften, die die meisten Gentechnik-Pflanzen heute haben. Vielmehr werden die Pflanzen resistent gegen Herbizide gemacht, die die Agrarfirmen praktischerweise gleich mitliefern, oder sie produzieren eigene Insektengifte. Nicht nur aufgrund dieser Werbung für die Agro-Gentechnik dürfte der Bericht die Gentech-Konzerne freuen. Sie könnten sich künftig darauf berufen – und den neuen Abgeordneten, die nach der Europawahl im Mai ins Parlament einziehen, den Bericht ihrer Vorgänger unter die Nase halten.

Darin geht es nicht nur um „klassische“ Gentechnik. Neuere Entwicklungen sollen laut Bericht von der Gentechnik-Gesetzgebung ausgenommen werden – damit würden Auflagen wegfallen, das Saatgut müsste auch nicht gekennzeichnet werden. Der Bericht erwähnt dabei die Cisgenese, bei der Gene innerhalb der gleichen Pflanzengattung übertragen werden, während bei der Transgenese auch Genkonstrukte aus fremden Organismen eingebaut werden. Mit der Annahme des Berichts fordert das Parlament, „zwischen cisgenetischen und transgenetischen Pflanzen zu unterscheiden und ein eigenes Zulassungsverfahren für cisgenetische Pflanzen zu schaffen und damit anzuerkennen, dass es sich bei Cisgenetik um eine beschleunigte Form der herkömmlichen Pflanzenzucht handelt.“

Eben das bestreitet das schweizerische Forschungsinstitut für Biologischen Landbau. „Auch bei cisgenen Pflanzen wird durch den Gentransfer direkt in die intakte DNA einer Pflanze eingegriffen und die Integrität des Kerngenoms gestört“, heißt es in einem Papier zu neuen Züchtungstechniken, über die sich die EU noch ein Urteil bilden muss. Als positiv bewerten gentechnikkritische Beobachter hingegen, dass ein Paragraph gestrichen wurde, mit dem „neue und innovative Pflanzenzuchtmethoden“ finanziell besonders gefördert und eventuell von Gentechnikregelungen ausgenommen werden sollten – obwohl sich viele dieser Techniken nah an der Grenze zur Gentechnik bewegen oder sie überschreiten. Politisch wurden die Verfahren noch nicht eingeordnet. Die Entwickler wollen sie gerne als nicht-gentechnisch definiert haben, um sich kostspielige Tests und Auflagen zu ersparen.

Der zuständige EU-Kommissar Tonio Borg hatte vor der Abstimmung erklärt, er habe den Wunsch zur Kenntnis genommen, dass cisgene und transgene Pflanzen unterschiedlich behandelt werden müssten. Die Kommission könnte also demnächst vorschlagen, die neuen Züchtungstechniken so zu regulieren, dass sie nicht unter das Gentechnikrecht fallen – und sich dabei auch auf den Bericht des Parlaments berufen.

Die Konservative McIntyre, die in ihrer Heimat als Unternehmensberaterin arbeitete, hat in ihrem Bericht viele Industrie-Anliegen aufgegriffen. Allerdings platzierte sie sie geschickt zwischen wohlklingenden Passagen, in denen es beispielsweise heißt, das Parlament verleihe „seiner starken Besorgnis darüber Ausdruck, dass ein Drittel bis die Hälfte der erzeugten Lebensmittel aufgrund ihres Aussehens weggeworfen wird.“ Auch werden mehr Bildungskampagnen für den Verzehr von Obst und Gemüse gefordert, auf die Chancen von „Urban-Farming“ hingewiesen und „die allgemeine Freiheit von Pflanzenzüchtern“ betont, die auch patentiertes Pflanzenmaterial nutzen dürfen sollen.

Dann folgen wieder industrie-freundliche Abschnitte. So sollte die EU-Kommission das letztes Jahr verhängte Teilverbot einiger Pestizide, die als besonders gefährlich für Bienen gelten, überprüfen. Dabei sollte auch „allen wirtschaftlichen Auswirkungen gebührend Rechnung“ getragen werden. Die Hersteller dieser Neonikotinoide, Konzerne wie Bayer und Syngenta, hatten nach der Verbotsentscheidung argumentiert, es würden Arbeitsplätze gefährdet. Dieser Paragraph des Berichts fand letztlich aber nicht ausreichend Zustimmung unter den EU-Parlamentariern, er wurde gestrichen.

In einem anderen Passus spricht sich der Bericht für den Abbau von „nichttarifären Handelshemmnissen“ aus, damit europäische Agrarproduzenten leichter exportieren können – genau das will die EU-Kommission mit Freihandelsabkommen erreichen, stößt aber – wie im Fall des geplanten TTIP-Abkommens mit den USA – auf heftigen Gegenwind aus der Zivilgesellschaft. [dh]

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