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Experten zum Opt-Out: Rechtssicher? Zulassungsflut?

Während das Umweltministerium davon ausgeht, dass das heute beschlossene Opt-Out „wesentliche Verbesserungen“ bei der Rechtssicherheit von Gentechnik-Anbauverboten bringt, sprechen Experten des Bundestags von „Schwierigkeiten“. Auch in der Frage, ob nun die schnellere Zulassung weiterer Gentech-Pflanzen droht, gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Aus Sicht des Ministeriums von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) konnten auf EU-Ebene seit März „wesentliche Verbesserungen durchgesetzt werden, insbesondere hinsichtlich der Rechtssicherheit und der technischen Umsetzbarkeit der Opt-out-Regelung.“ So könnten sich die Regierungen nun auf mehr Gründe berufen, wenn sie ein Verbot des Anbaus bestimmter Gentech-Pflanzen verhängen. „Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es Konzern-Klagen gegen nationale Anbauverbote geben könnte“, räumte das BMUB heute in einer Stellungnahme ein. Aber: „Dieses Risiko besteht ja bei jedem Gesetzgebungsprozess.“

Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hatte im Mai hingegen folgende Einschätzung abgegeben, aus dem der Grünen-Abgeordnete Harald Ebner zitiert: „Im Hinblick auf die Rechtssicherheit verbleiben jedoch auch im Fall konkreter Verbotsgründe Schwierigkeiten der Beweispflichtigkeit und der Beweisbarkeit des Vorliegens von Gründen für ein Opt-out.“ Zwar bezogen sich die Experten des Parlaments dabei auf einen Entwurf von April. Doch die zentralen Elemente wurden beibehalten – beispielsweise die Koppelung von zwei Phasen: 1) Frage an den Konzern, ob er bereit wäre, seinen Zulassungsantrag geografisch einzuschränken, 2) Verbotsmöglichkeit, falls er nicht bereit ist. Doch laut dem Gutachten „erscheint aus hiesiger Sicht im Hinblick auf die Rechtsqualität der zwischen dem Mitgliedstaat und dem Unternehmen zu erzielenden Einigung unklar, ob es sich hierbei um einen bindenden privat- oder öffentlich-rechtlichen Vertrag oder nur um eine informelle Absprache handeln würde.“

Auch die Frage, ob das Opt-Out eine schnellere Zulassung von in der Warteschleife hängenden Gentechnik-Pflanzen zur Folge hat, kommen Umweltministerium und Bundestagsexperten zu unterschiedlichen Antworten. Das BMUB verweist auf die EU-Kommission: diese gehe nicht von einer Zulassungsflut aus. Das Ministerium selbst ist da etwas vorsichtiger: „Ob es durch das Opt-out zu einer Beschleunigung der Verfahren zur Zulassung von gentechnisch veränderten Organismen auf EU-Ebene kommen wird, ist derzeit nur schwer absehbar. Ein direkter Zusammenhang besteht jedenfalls nicht.“

Anders der Wissenschaftliche Dienst, aus dessen Gutachten der Grüne Ebner zitiert: durch das Opt-Out könnten „Verzögerungen bei der Bearbeitung von Anträgen auf Zulassung von GVO beseitigt werden“. Denn der Koppelung der beiden Phasen – Konsultation des Unternehmens, dann erst Verbot – liege „die für die Kommission wesentliche Erwägung der Effektivierung des EU-Zulassungsverfahrens für GVO“ zugrunde. Außerdem werde so die Flexibilität der Mitgliedsstaaten eingeschränkt, meint der Dienst und erinnert daran, „dass die entscheidenden Akteure im Rahmen des Zulassungsverfahrens mit Blick auf die demokratische Legitimation der Entscheidung nur die Mitgliedstaaten und die Unionsorgane, nicht aber die antragstellenden Unternehmen sein können.“

Dabei brauche es diese Koppelung gar nicht, denn schon nach heute geltendem Recht könnten die Mitgliedsstaaten mit den Antragsstellern verhandeln, um die Zulassung geografisch einzuschränken. Das Umweltministerium wiederum beharrt auf dem Standpunkt der Großen Koalition, wonach es gar keine Verhandlungen gebe – zumindest nicht zwischen Staat und Konzern, weil ja schließlich die Kommunikation „ausschließlich über die EU-Kommission“ erfolge. Das letzte Wort bleibe bei den Regierungen. „Das ist hoheitliches Handeln und kein Geschacher mit Konzernen.“

Jedenfalls will Umweltministerin Hendricks nun „selbstverständlich eine unverzügliche Umsetzung der Opt-out-Richtlinie.“ Dabei solle es aber eine Regelung für alle Bundesländer zusammen geben: Vieles spreche dafür, „dass es nicht zu einem Flickenteppich mit unterschiedlichen Lösungen in Deutschland kommen sollte.“

Der Grünen-Politiker Ebner hofft hingegen noch auf Änderungen am Opt-Out, das auch vom EU-Parlament abgesegnet werden muss. „Im Schatten des WM-Auftakts hat die Merkel-Regierung heute gemeinsam mit der Mehrzahl der EU-Staaten den Gentechnik-Ausstiegs-Betrug ganz nach den Plänen der Konzernlobby abgesegnet“, so der Abgeordnete. „Was die Umweltminister in Luxemburg heute als großen Wurf und mühsam errungene Einigung feiern, bedeutet in Wahrheit den Anfang vom Ende der Gentechnikfreiheit in Europa - wenn es so umgesetzt wird.“ [dh]

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