Noch vor einem Jahr hatte die CDU Im Koalitionsvertrag „die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung“ gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen anerkannt, nun hat sie ein wesentlich gentech-freundlicheres Programm verabschiedet. Allerdings wurde die Junge Union auf dem Parteitag in Köln mit ihrem Vorhaben ausgebremst, die kürzlich auf EU-Ebene ausgehandelten Möglichkeiten für nationale Anbauverbote gar nicht zu nutzen.
Auf Antrag des Parteivorstands wurde folgender Passus beschlossen: „So brauchen wir z. B. eine sachliche Diskussion darüber, wie grüne Gentechnik helfen kann, eine wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, beispielsweise indem Pflanzen trockenheits- oder salzresistent werden, oder auch wie Pflanzen als nachwachsende Rohstoffe für umwelt- und klimafreundliche Produkte genutzt werden können. Auch an deutschen Hochschulen und Wissenschaftsinstituten soll Forschung in diesem Bereich möglich sein und gefördert werden.“
Dabei haben die Gentechnik-Labore bei solchen komplizierten Eigenschaften bislang wenig zustande gebracht, wie kritische Wissenschaftler anmerken. Konventionelle Züchter hingegen können einige Erfolge hinweisen, vor kurzem zum Beispiel eine salztolerante Kartoffel, die zurzeit in Pakistan erprobt wird.
Ganz so gentechnik-euphorisch wie es sich die Nachwuchspolitiker der Jungen Union gewünscht hatten ist der Parteibeschluss allerdings nicht ausgefallen. Die JU hatte beantragt, „von der sogenannten Opt-out-Regelung für das nationale Verbot von GVO-Saatgut keinen Gebrauch zu machen.“ In der laut Beobachtern nun beschlossenen, milderen Fassung heißt es lediglich, die Anwendung der Gentechnik-Anbauverbote in Deutschland sei „sorgfältig zu prüfen“. Das Opt-Out war letzte Woche zwischen EU-Parlament und den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgehandelt worden – Deutschland wurde vom Bundeslandwirtschaftsministerium vertreten – und soll im Januar abgesegnet werden. Dann können es die 28 EU-Länder in nationales Recht gießen. CSU-Agrarminister Christian Schmidt will „so bald wie möglich“ einen Entwurf vorlegen.
Überhaupt liegen die Schwesterparteien bei der Agro-Gentechnik nicht immer auf einer Linie. Während die CDU nun beschloss, die Regierung solle „einen gesellschaftlichen Dialog initiieren, der neben den Risiken (JU: 'neben heraufbeschworenen Risiken') auch die Chancen der Agrarbiotechnologie herausstellt“, hat der CSU-Vorstand beantragt, beim eigenen Parteitag am kommenden Wochenende in Bezug auf das Freihandelsabkommen TTIP zu fordern: „Es darf keine Aufweichung unserer strengen Regeln gegen Gentechnik oder Hormonfleisch geben.“
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel äußerte sich in ihrer Rede nicht direkt zur Gentechnik, sondern nur zur Landwirtschaft allgemein. Unter dem Stichpunkt „Industrie 4.0“ sprach sie über Internet und Autos, sagte allerdings auch: „In Zukunft wird man über ein GPS-System erkennen, welcher Quadratmeter des zu bearbeitenden Landes welche Fruchtbarkeit hat. Wer diese Informationen nicht hat, wird nicht mehr wettbewerbsfähig sein können.“
Der grüne Bundestagsabgeordnete Harald Ebner kritisierte den „Pro-Gentech-Kurs“ der CDU. „Statt die breite Ablehnung ernst zu nehmen, will die CDU den Menschen ein weiteres Mal die bekannten und längst widerlegten Heilsversprechen über 'Chancen der Agrarbiotechnologie' verkaufen und noch mehr Forschungsgeld für diese überflüssige Technologie verschwenden. Dass Angela Merkel zugelassen hat, dass solche Anträge überhaupt auf die Tagesordnung genommen wurden, beweist erneut ihre persönliche Unterstützung der Gentechnik.“
Im Koalitionsvertrag von vergangenem November hatten CDU, CSU und SPD noch festgehalten: „Wir erkennen die Vorbehalte des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an.“ Jedoch wurde auf Druck der Kanzlerinnenpartei ein Bekenntnis zu Anbauverboten, das CSU und SPD eingebracht hatten, gestrichen. [dh]