Synthetische Biologie – von Kritikern teils als „extreme Gentechnik“ bezeichnet – bietet viele neue Möglichkeiten, kann aber auch der biologischen Vielfalt schaden. Zu diesem Schluss kommt ein im April veröffentlichter UN-Bericht. Viele Erwartungen wurden allerdings schon gedämpft, bilanzierte Newsweek die bisherige Entwicklung der Branche. „Synbio sollte die Welt retten. Jetzt wird damit Vanille-Aroma gemacht“, twitterte das Magazin im März.
Auf über 100 Seiten beleuchtete das Sekretariat der UN-Konvention über die biologische Vielfalt in dem Bericht den Stand der Synthetischen Biologie. 195 Staaten haben sich bislang auf Grundlage des Übereinkommens von 1992 verpflichtet, Ökosystem und genetische Ressourcen zu schützen. Die USA, die besonders viele Gentechnik- und Synbio-Labore beherbergen, gehören allerdings nicht dazu.
Der Bericht zeigt, wie viele Fragen zur Synthetischen Biologie noch offen sind. Das Feld ist relativ neu, unter anderem gibt es keine allgemein akzeptierte Definition, was „Synthetische Biologie“ eigentlich bedeuten soll. Einig ist man sich, dass die „'de novo' Synthese von genetischem Material“ darunter fällt, erklärt das Sekretariat, das sich durch wissenschaftliche Literatur und die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten der Konvention gelesen hat. Auch gehörten Ansätze der Biotechnologie dazu, die auf dem Ingenieurswesen basieren und „Komponenten, Organismen und Produkte“ entwickeln.
Wie schwierig eine Definition ist, erfuhren auch mehrere EU-Beratergruppen, die sich damit auf Weisung Brüssels beschäftigten. Am Ende einigten sie sich - allerdings unter Protest einer Gruppe, der das zu schwammig war - auf „die Anwendung von Wissenschaft, Technologie und Ingenieursarbeit, um das Design, die Herstellung und/oder die Veränderung von genetischen Materialien in lebenden Organismen zu ermöglichen und zu beschleunigen.“
Klar ist laut dem Bericht, dass die Methoden, mit denen DNA am Computer entworfen, dann künstlich hergestellt und in ausgehüllte Zellen eingebaut werden kann, viele technische Möglichkeiten bietet. Das Sekretariat listet unter anderem die Schaffung von Mikroorganismen auf, die Umweltschäden reparieren sollen oder die Herstellung von Biokraftstoffen. Andererseits könne eine Verbreitung solcher synthetischer Organismen aber „unvorhersehbare Konsequenzen haben“. Es könnten toxische Wirkungen auf nützliche Organismen auftreten oder der Artenschutz gefährdet werden.
Zwar könne die bisherige Risikobewertung, die bei gentechnisch veränderten Pflanzen oder Tieren angewandt wird, auch synthetische Organismen erfassen, meint das Sekretariat. Weil sich die Synthetische Biologie aber ständig weiterentwickelt, müsse künftig wohl auch die Risikobewertung angepasst werden.
Beim Schutz des „geistigen Eigentums“ beobachteten die Autoren des Berichts zwei Modelle, die sich zurzeit parallel formierten: einerseits die rigorose Patentierung von Komponenten, beispielsweise DNA-Sequenzen, aber auch Software sowie von Endprodukten. Andererseits eine abgeschwächte Variante, in der Endprodukte zwar patentiert werden, die nötigen Komponenten aber geteilt würden. Es hänge davon ab, welches Patentsystem sich durchsetze, ob Innovationen gefördert oder behindert würden oder eine Konzentration bei einigen Marktteilnehmern entstehe – wie heute bei Gentechnik-Konzernen, die ihre Pflanzen ebenfalls patentieren.
Auch das Magazin Newsweek beschäftigte sich im März mit der Synthetischen Biologie – und vor allem mit den Anwendungen, die heute zur Verfügung stehen. Trotz millionenschwerer Investitionen habe Synbio die teils hoch gesteckten Erwartungen aber nicht erfüllen können, so das Fazit. Als Beispiel nannte Newsweek die Schweizer Firma Evolva, die Medikamente gegen Krebs und neue Antibiotika entwickeln wollte, nun aber aber Vanillearomen für die Lebensmittelindustrie kredenzt. [dh]