Die Agrarminister der Bundesländer Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen fordern ein Gentechnik-Anbauverbot in ganz Deutschland. Der Bund müsse dafür die Verantwortung übernehmen, ansonsten drohten höhere Risiken und Kosten.
Die sechs Grünen-Politiker, eine davon Mitglied einer schwarz-grünen Landesregierung, stützen sich mit ihrer Forderung auf ein juristisches Gutachten. Darin kommen Anwälte der Berliner Kanzlei Gaßner, Groth, Siederer & Coll. zu dem Schluss, ein bundeseinheitliches Verbot gentechnischer Pflanzen sei stabiler. „Eine Bundeszuständigkeit hat gegenüber einer Landeszuständigkeit den grundsätzlichen Vorteil, dass sie eine in sich und gegenüber dem Zulassungsverfahren auf Bundesebene und den bundesrechtlichen Koexistenzregelungen konsistente und damit rechtssichere Regelung erleichtert“, so die Juristen.
Juristen und Landesminister widersprechen damit erneut der Einschätzung des Bundesagrarministeriums. Bundesminister Christian Schmidt (CSU) legte vor kurzem einen Gesetzentwurf vor, wonach jedes Bundesland einzeln über Gentechnik auf dem Acker entscheiden soll. „Wir brauchen ein flächendeckendes Anbauverbot von Genpflanzen. Ein Flickenteppich von Regelungen auf Länderebene führt zu mehr Bürokratie, Kosten und zu Risiken für die Bauern und die gesamte Lebensmittelkette“, erklärte die rheinland-pfälzische Agrarministerin Ulrike Höfken am Samstag.
Schmidts Sprecher Jens Urban konterte am Sonntag per Email: „Die Presseäußerungen der grünen Landwirtschaftsminister sind irreführend und verkennen die rechtlichen Rahmenbedingungen des Europäischen Rechts.“ Bekämen die Bundesländer nicht die Möglichkeit, zu entscheiden, schrumpften auch die Chancen auf „ein zügiges und wirksames Anbauverbot von Gentechnik in Deutschland“, so der Sprecher.
Laut dem juristischen Gutachten, das die Länder in Auftrag gegeben haben, ist beides möglich: sowohl die Landesregierungen als auch der Bund könnten Gentechnik-Verbote verhängen. Sicherer sei es jedoch, wenn dies einheitlich – also von Berlin – getan werde. Schließlich sei Gentechnik-Recht auch heute schon Bundesrecht.
Dabei könne sich die Politik auf eine Reihe von Begründungen stützen. Beispielsweise könnte das Ziel, kleinbäuerliche Strukturen oder eine ökologische Wirtschaftsweise zu schützen, angeführt werden. Denn sollte gentechnisch veränderter Mais in Deutschland angebaut werden – was zurzeit nicht erlaubt ist – hätte das Auswirkungen auf die Nachbarn der Gentech-Felder. „Besonders von einem GVO-Anbau betroffen sind biologisch wirtschaftende Imker“, so das Gutachten. „Sie haben ihre Bienenstöcke so aufzustellen, dass im Umkreis von 3 km um den Standort Nektar- und Pollentrachten im Wesentlichen aus ökologischen /biologischen Kulturen, Wildpflanzen und/oder Kulturen bestehen, die nach Methoden mit geringer Umweltauswirkung behandelt werden und die die ökologische/biologische Qualität der Imkereierzeugnisse nicht beeinträchtigen können.“ In Regionen, in denen Gentechnik-Pflanzen auf dem Acker wachsen, würde es für die Imker schwierig, Standorte für ihre Bienen zu finden.
Für die grünen Landesminister ist die Lage eindeutig: der Bund müsse sich um die Gentechnik-Verbote kümmern. „Alles andere ist Murks, der hohe Risiken und Kosten für alle birgt“, kommentierte Nordrhein-Westfalens Agrarminister Johannes Remmel.
Letzte Woche hatte sich bereits das Bundesamt für Naturschutz für ein einheitliches Gentechnik-Anbauverbot ausgesprochen. [dh]
+++UPDATE 23.06.15+++ Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Harald Ebner wies die Aussagen von Schmidts Pressesprecher zurück: „Minister Schmidt fühlt sich offenbar in die Ecke gedrängt beim Thema Gentechnikpflanzen-Anbauverbote und schlägt jetzt wild um sich. Jetzt versucht er gar, den Grünen und deren Länder-Agrarministern die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben, dass er seit Monaten keinen tauglichen und mehrheitsfähigen Gesetzentwurf dafür hinbekommt. Absurder geht es nicht. Denn ausgerechnet Schmidt selbst beharrt darauf, dass die Bundesländer und der Bundesrat bei der Änderung des Gentechnikgesetzes nicht mitreden sollen. Wie könnten sie also irgendetwas blockieren?“