Welche Auswirkungen hätten die transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP und CETA auf die Landwirtschaft? Dieser Frage ist der Journalist Peter Kreysler, der vor allem für WDR und Deutschlandfunk arbeitet, nachgegangen. Im Gespräch mit Wissenschaftlern, Landwirten und Lobbyisten erhielt er interessante Antworten. Zum Beispiel zur Monsanto-Vergangenheit eines hochrangigen Beamten der US-Lebensmittelbehörde.
So erhielt Kreysler eine schriftliche Bestätigung, dass Michael Taylor, heute „Deputy Commissioner“ für Lebensmittel und Tiermedizin der FDA, früher für Monsanto tätig war. „Vize-Präsident und Cheflobbyist“ sei er dort gewesen, schreibt Kreysler in der Reportage, die nun von dem Grünen-Europaparlamentarier Martin Häusling veröffentlicht wurde. „Und schließlich holte ihn die Obama Administration zurück zur FDA. Michael Taylor ist heute der verantwortliche Mann für die Lebensmittelsicherheit in den USA.“
Vielleicht ein Grund, warum gentechnisch veränderte Pflanzen in den USA kaum reguliert werden – und heute 90 Prozent der Mais-, Soja- und Baumwollproduktion des Landes ausmachen. Und das, obwohl anfangs, in den 1990er Jahren, auch Behördenwissenschaftler skeptisch waren. „Heute gibt es Originaldokumente aus dieser Zeit, die beweisen, wie sich die Wissenschaftler gegen genveränderte Lebensmittel ausgesprochen hatten“, schreibt Kreysler. „Die überwiegende Meinung war, dass die Technologie noch nicht ausreichend ausgereift sei und es noch weiterer Forschung sowie jahrelanger Tests bedürfe. Diese schwerwiegenden Bedenken wurden jedoch nie öffentlich gemacht.“
Eine Klage von Umweltschützern brachte sie Jahre später ans Licht: so hatte beispielsweise der für die Behörde tätige Mikrobiologe Louis Pribyl kritisiert, die Gentechnik-Richtlinien der FDA seien „sehr pro-Industrie“. Zufall oder nicht: Anfang der 1990er war der ehemalige Monsanto-Anwalt Taylor bereits Abteilungsleiter in der Behörde, so Kreysler.
Heute drängt Washington die EU in den TTIP-Verhandlungen, Gentechnik-Pflanzen schneller und unkomplizierter durchzuwinken. Die Zulassung dauert hier im Vergleich wesentlich länger und kostet die Konzerne viel Geld. Kein Grund zur Sorge, erklärt Brüssel, aber auch die Große Koalition in Berlin beschwichtigt: Umwelt- und Verbraucherstandards würden durch TTIP nicht abgesenkt. Ein sehr erfahrener ehemaliger Beamter des Bundeslandwirtschaftsministeriums, der früher selbst für Gentechnik zuständig war, sagte Kreysler jedoch: „Wenn uns jetzt Politiker erzählen, wir brauchen keine Angst zu haben; alles bleibt wie es ist. Da würde ich sagen, entweder wissen sie nicht wovon sie reden oder sie erzählen uns bewusst dummes Zeug! Durch TTIP und CETA wird eine Entwicklung stattfinden, die alles, was wir zurzeit an Sicherheitsvorkehrungen im Zulassungsverfahren haben, aushebelt.“
Wie sehr die USA die Linie großer Agrarkonzerne vertreten, zeigt Kreylser auch anhand einer anderen Personalie. „Noch bis vor kurzem war der verantwortliche TTIP Verhandlungsleiter für Landwirtschaft Islam Siddiqui. Er kam von CROPLIFE, einem PR- und Industrieverband der Pestizid-Hersteller, also ein Lobby-Laden, der absolut die Gentechnologie unterstützt“, schreibt der Journalist. CROPFLIFE vertritt Gentechnik-Unternehmen, denen schon die heutigen, aus Sicht vieler NGOs verbesserungswürdigen EU-Regeln ein Dorn im Auge sind: Monsanto, Bayer Cropscience, BASF, Syngenta und Dow Agrosciences.
Dass TTIP den Agrarsektor durcheinander wirbeln könnte, bestätigt auch eine Untersuchung von gewiss nicht per se freihandelskritischen Wissenschaftlern. Im Auftrag des EU-Parlaments hatten Forscher der Universität München und des Ifo-Instituts, der Paris School of Economics und von AgroParisTech letztes Jahr mehrere Branchen analysiert. Beispiel Rindfleisch: hier könne ein Abkommen mit den auf High-Tech-Landwirtschaft und Massenproduktion spezialisierten USA „sehr signifikante Konsequenzen“ für europäische Bauern haben. Während hier zumindest auf kleineren Flächen noch Kühe auf Weiden zu finden sind, stehen sie in den USA überwiegend in Megaställen. Wachstumshormone, die in der EU verboten sind, kommen wie selbstverständlich zum Einsatz. Bis jetzt, so die Wissenschaftler, werde der Import von Rindfleisch aus den USA noch durch Zölle und dem Hormonverbot begrenzt – TTIP könnte das ändern.
Aus Sicht der Forscher könnte es bei Schutzstandards ein „race to the bottom“, also ein gegenseitiges Unterbieten geben. Als Beispiel nennen sie, dass die EU vor zwei Jahren den Verkauf von Rindfleisch zuließ, das mit Milchsäure behandelt wurde. 1997 hatte sie diese in den USA verbreitete Praxis untersagt, das Verbot 2012 sogar ausdrücklich bestätigt. Kurz darauf wurde das Säurebad dann doch erlaubt.
Ein „wichtiger Sieg für die wissenschaftsbasierte Lebensmittelverarbeitung“, jubelte damals das US-Landwirtschaftsministerium. Die Wissenschaftler aus Paris und München sehen darin einen Vorboten: durch solche zunächst geringfügigen Änderungen könne die derzeitige EU-Strategie für mehr Lebensmittelsicherheit langfristig untergraben werden. [dh]